Wien – Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat die heiße Kartoffel, ob der AUA-Kollektivvertrag auch nach dem Betriebsübergang auf die kostengünstigere Tyrolean weiter gilt, also nachwirkt, an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiter gereicht. Erst wenn diese Frage geklärt sei, könne entschieden werden, ob der Betriebsübergang in Summe rechtens war oder nicht. Das ist die Kurzfassung des OGH-Beschlusses, der dem
Standard vorliegt.
Zur Erinnerung: Die AUA hat Anfang 2012 den Kollektivvertrag (KV) für ihr fliegendes Personal gekündigt. Wenig später hat die Gewerkschaft jenen der Tyrolean aufgekündigt. Seither gibt eine Unternehmensrichtlinie. Der AUA-Standpunkt war zunächst, mit dem Abschluss eines neuen KVs so lange zu warten, bis die Sache juristisch geklärt ist. Betriebsratschef Karl Minhard sagt, es gebe noch keinen Termin für KV-Verhandlungen. Aus der AUA heißt es, es gibt bereits Verhandlungstermine.
Für Rechtsanwalt Roland Gerlach, der in dieser Causa den ÖGB vertritt, war der Betriebsübergang nicht rechtens. Im Zuge des Betriebsübergangs nahmen zahlreiche Piloten und Flugbegleiter ihr spezielles Kündigungsrecht wahr und bekamen hohe Abfertigungen.
Der Grund, warum der OGH diese Causa auf europäischer Ebene klären lassen will, ist eine Interpretationsfrage: In der entsprechenden EU-Richtlinie zum Betriebsübergang heißt es, der bestehende KV gilt bis zu dessen "Erlöschen".
Auslegungssache
Nun wollen die heimischen Höchstrichter wissen, ob dieses Erlöschen heißt, dass der KV bis zum Betriebsübergang gilt, oder ob er auch nach dem Betriebsübergang nachwirkt. Geklärt werden soll auch, ob nach dem Betriebsübergang auf die Tyrolean der Tyrolean-KV zur Anwendung hätte kommen sollen.
All das wollen die OGH-Richter wissen, um beurteilen zu können, ob der gesamte Betriebsübergang rechtens war oder ob er missbräuchlich verwendet wurde, zumal damit deutliche Gehaltseinbußen verbunden waren.
Gerlach erwartet, dass der EuGH in den nächsten sechs bis 18 Monaten entscheiden wird. Aus Sicht der AUA wird mit mindestens einem Jahr gerechnet. AUA-Chef Jaan Albrecht sagte jüngst, dass mit dem OGH-Urteil die wirtschaftliche Gesundung der AUA verbunden sei. Verlöre die Airline, "wäre die AUA rasch wieder ein Patient", so Albrecht. Die Airline ist nach wie vor defizitär. Im ersten Quartal lag der Betriebsverlust bei 56 Mio. Euro. (cr, DER STANDARD; 8.6.2013)