Shakespeares Julia (Christian Reiner) wäre bereit - die Neue Bühne Villach am Standesamt. 

Foto: Patrick Connor Klopf

Villach - Die Anhänger der verfeindeten Familien Capulet und Montague stoßen vor dem Standesamt zusammen und prügeln sich wie halblustige Cartoonfiguren - es darf outriert werden. Barbara Rapp hat den Charakter des Ortes mit surrealen Requisiten subtil verändert. Weniger subtil ist die Figurenzeichnung: Die ersten Szenen wirken wie eine platte Komödie.

Dabei hatte Regisseurin Katrin Ackerl Konstantin eine hehre Vision für ihre Shakespeare-Bearbeitung: Geschlechterstereotype sollten hinterfragt werden, indem alle Rollen gegengeschlechtlich besetzt sind. Anstatt Rollenbilder aufzubrechen, werden erst recht vorhandene Klischees bedient, aber mit hoher schauspielerischer Qualität:

Christian Reiner schleicht als Julia im pinken Tutu hinreißend schüchtern auf dem schrillen Fest der Capulets umher, einer Art Life Ball mit Pussy-Riot-Motto (Kostüme: Michaela Wuggenig). Frank Piotraschke verleiht Julias Amme mit Verve einen transsexuellen Touch. So gewinnt die Inszenierung laufend an Witz und Tempo, um nach der Pause unerwartet tiefgründig zu werden.

Durch die heimliche Heirat widersetzen sich Romeo und Julia nicht nur der Feindschaft zwischen ihren Familien, sie verlassen auch mehr und mehr die Welt der Rollenklischees und emanzipieren sich damit doppelt von ihren Umfeld.

Der Wandel zum anspruchsvollen Drama wird stark von den tollen Videoprojektionen (Philip Kandler) getragen. Die Fassade des Standesamts gerät aus den Fugen. Auch der Mönch, der das Liebespaar heimlich vermählt, wird durch elektronische Livesounds (Tamara Wilhelm) dargestellt - kalt und übermächtig, als kämen seine frauenfeindlichen Worte aus dem Vatikan getwittert.   (Martin Mittersteiner, DER STANDARD, 8./9.6.2013)