Die Zigarette hat man Lucky Luke längst abgewöhnt. Den Colt darf er weiterhin gehörig rauchen lassen.

Foto: Achdé / Lucky Comics

Krems -  Was für ein Bild von einem Cowboy. Boots, Bluejeans, Halstuch und Hut, dazu die passenden O-Beine und ein treues Pferd, das springt wenn man danach pfeift - Lucky Luke hat alles was einen wahren Westernheld ausmacht. Er zieht den Revolver schneller als sein Schatten, wirft das Lasso wie kein Zweiter und ist sowieso der beste Schütze im ganzen Land.

Seit 1946 karikiert die Comic-Figur beständig ein ganzes Filmgenre, ohne an Coolness verloren zu haben. "Damals gab es vor allem drei Helden-Typen: Detektive, Schwertkämpfer und eben Cowboys", meint Achdé, der französische Lucky Luke-Zeichner in zweiter Generation. Die Ausstellung im Karikaturmuseum Krems läuft unter dem Titel "Neues aus dem Wilden Westen von Achdé".

Auf den eigentlichen Schöpfer des Cowboys wird dabei freilich nicht vergessen. Es war der belgische Comiczeichner Maurice de Bévère, bekannt unter dem Künstlernamen Morris, dessen Fantasie in 55 Jahren Arbeit 90 Lucky Luke-Comics entsprangen. Der USA-Fan, der ursprünglich vom Trickfilm kam, nahm Anleihe am US-Western seiner Zeit und übersetzte ihn in die frankobelgische Comictradition, die seit Entstehung der legendären Comic-Magazine "Spirou" und "Tintin" auf knollennasige Figuren mit Parodie-Charakter setzte.

In Spirou erschien auch erstmalig Lucky Luke, der Lonesome Cowboy, der damals noch jodelnd und rauchend durch die Weiten des Westens zog. Beides hat Morris seinem Helden mit der Zeit abgewöhnt. Für den Verzicht auf die obligatorische Drehzigarette bekam der Zeichner 1988 einen Spezialpreis der Weltgesundheitsorganisation verliehen.

Dabei hatte Morris den tugendhaften Cowboy, der seit Jahrzehnten keiner Fliege etwas zu Leide tut und selbst die Daltons stets auf schonende Weise hinter Gitter bringt, ursprünglich nicht ganz so korrekt angelegt. Wer Lucky Luke kennt, glaubt es kaum, aber im Heft "Die Gesetzlosen" aus den frühen 50ern wirft Luke all seine Grundsätze über Bord und verpasst Bob Dalton einen letalen Kopfschuss.

Zum Ärger der Verleger, auf deren Drängen Morris die Szene später entschärfte. Ausrutscher wie diesen findet man in den späteren Heften keinen mehr. Der selbstlose, hilfsbereite und bescheidene Lucky Luke gilt heute als Musterbeispiel für den erzieherischen Charakter des frankobelgischen Comics.

Als Morris im Jahr 2001 starb, trat Achdé, der mit bürgerlichem Namen Hervé Darmenton heißt, in dessen Fußstapfen. "Wenn ich groß bin, möchte ich Lucky Luke-Zeichner werden", soll dieser schon mit fünf Jahren gesagt haben. Als man ihm, der damals noch als H. Darmenton zeichnete, aber sagte, die Knollennase sei nicht mehr gefragt, verfiel er in eine künstlerische Krise.

Über die Knollennasen-freien neorealistischen Auftragsarbeiten dieser Zeit spricht der Künstler heute abschätzig: "Ich verlor dabei meine Seele, es war einfach nicht das, was ich machen wollte." Also beschloss Darmenton, ganz in der Tradition frankobelgischer Comiczeichner, sich nach seinen Initialen "Ach" und "Dé" zu benennen und zeichnete so, wie er es von klein auf gewollt hatte: ironisch und knollennasig.

Zum Erben Lucky Lukes wurde Achdé schließlich aufgrund einer Hommage an Morris, die er 1999 für sein großes Vorbild zeichnete - eine übliche Geste im frankobelgischen Comic. "Wenn es um den Stil geht, bedeutet Morris für mich Kino. Anstelle einer Kamera verwendete er seinen Pinsel. Er schuf Meisterwerke des Kinos - auf Papier!", so der Morris-Nachfolger.

Achdé verleiht dem Westernheld auch seine eigene Note. So fließen in seine Alben, vom amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf bis zum CSI TV-Serienhype, vermehrt aktuelle Bezüge ein, was die Hefte für ältere Fans zu besonderen Highlights macht. Achdé, selbst als Fan sozialisiert, zeichnet laut eigenen Aussagen einfach die Alben, die er selbst gerne lesen würde.

Die Frage, ob Lucky Luke der Political Correctness wegen irgendwann den Revolver ablegen muss, wischt Achdé vom Tisch: "Wenn Lucky Luke aufhört, 'Colt' zu tragen, höre ich auf zu zeichnen."   (Stefan Weiss, Langfassung, DER STANDARD, 8./9.6.2013)