Bild nicht mehr verfügbar.

Während auf Jurong Island noch heftig an der Infrastruktur gebaut wird...

Foto: EPA/Stephen Morrison, Lanxess

Bild nicht mehr verfügbar.

...flockt guer Butylkautschuk aus. Er wird in Ballen gepresst und verkauft.

Foto: EPA/Stephen Morrison, Lanxess
Grafik: STANDARD

Der Augenkontakt ist kurz, dafür intensiv. Noch ein prüfender Blick in den Pass, ob das Foto auch wirklich mit der Person übereinstimmt und der Name mit dem auf der Liste verzeichneten. Dann erst geht es weiter. " Welcome to Jurong Island", sagt der drahtige Kerl. Dwayne Cheong steht auf dem Namensschild, das auf seiner grünlichen Uniform pickt.

Es ist wie der Übertritt in eine andere Welt, wenn man über den achtspurig asphaltierten Damm zur Insel fährt. Der Glitzer des Stadtstaats Singapur, der - zumindest was die Dichte der Shopping-Malls betrifft - einen Vergleich mit der Retortenstadt Dubai am Persischen Golf nicht scheuen muss, scheint weit, weit weg.

Was auf Jurong Island glitzert, sind nicht die Glasfassaden des Handels- und Finanzzentrums, für das die mehr als fünf Millionen Einwohner zählende Stadt hauptsächlich steht. Es sind Rohre und Leitungen, in denen sich hier die Sonne spiegelt. Die Raffinerie Schwechat hätte auf der Insel gut 23-mal Platz.

Viel Platz für Unternehmen

Jurong Island ist einer der größten Chemieparks Asiens. Rund 100 Chemie- und Petrochemiefirmen unterschiedlicher Größe haben sich in den vergangenen Jahren niedergelassen; an Investitionen sind bisher rund 40 Mrd. Singapur Dollar geflossen, das sind etwa 25 Milliarden Euro. Geht es nach dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Teo Chee Hean, sollen bald weitere Milliardeninvestitionen folgen.

Man erwarte, dass die Chemieumsätze in Asien mittelfristig um vier bis fünf Prozent pro Jahr wachsen - verglichen mit weniger als zwei Prozent in Europa. Bereits für 2030 werde prognostiziert, dass Asien für etwa zwei Drittel der globalen Chemienachfrage steht. "Und wir haben noch Platz für Unternehmen", sagte Chee Hean bei einem Lokalaugenschein des Standard.

Produziert wird jetzt schon fast alles auf der Insel, was Rohöl als Ausgangsstoff hat. Der amerikanische Multi Exxon war einer der Ersten hier, der eine Raffinerie hingeklotzt hat. Das war, lange bevor es zum Chemiepark in der heutigen Form kam.

Es war das strategische Ziel von Singapurs Staatsgründer und langjährigem Regierungschef Lee Kuan Yew, die wirtschaftliche Zukunft des Stadtstaats auf mehrere Beine zu stellen. Obwohl selbst ohne Rohstoffe, sah man für Singapur in der Rohöl verarbeitenden Industrie die Möglichkeit, ausreichend Schubkraft für das 21. Jahrhundert zu entwickeln.

Verlängerte Werkbank

Nun will man zudem wiederholen, was das Erfolgsrezept von Hongkong über viele Jahre war: mit der Sonderwirtschaftszone Shenzen eine verlängerte Werkbank zu haben, knapp hinter der Grenze in einem (damals) anderen Staat - China. Von deutlich niedrigeren Löhnen jenseits der Grenze, in Malaysia, will nun auch Singapur profitieren. Außerdem werden gut ausgebildete Fachkräfte in der Stadt, die sich zu 74 Prozent aus ethnischen Chinesen, gut 13 Prozent Malaien und mehr als neun Prozent Indern zusammensetzt, zunehmend knapp.

"Singapur muss aufpassen, dass es den Bogen nicht überspannt", sagt Emmanuel Hess. "Energie ist hier teuer, die Löhne steigen. Es gibt Chemieparks beispielsweise bei Schanghai und auch in Thailand, die sind günstiger."

Hess verantwortet für Si Group, ein Chemieunternehmen mit Sitz in New York, die Aktivitäten in der Region Asien-Pazifik. Für Singapur spreche freilich noch immer die strategische Lage sowie der Tiefseehafen, der es Schiffen erlaube, direkt anzulanden.

Jurong Island besteht aus sieben Inseln. Durch Aufschüttung sind sie zu einer zusammengewachsen (siehe Karte). Die Fläche hat sich dadurch auf 32 km2 mehr als verdoppelt. BASF, Celanese, Sumitomo, Shell: das Namensverzeichnis liest sich wie das Who's who der Branche. Jüngster Neuzugang ist Lanxess.

Der Weltmarktführer für synthetischen Kautschuk hat in dieser Woche das mit 400 Millionen Euro größte Einzelinvestment seiner Unternehmensgeschichte in Singapur Betrieb genommen.

Strikte Regeln

Vom Checkpoint sind es elf Kilometer bis zum Werk. Auf der gesamten Insel herrscht striktes Rauchverbot. "Someone says, Singapore is a fine place. They fine you for everything", sagt Douglas Sellars, Werksmanager bei Lanxess.

Das Wortspiel mit "fine", das im Englischen "nett" heißt, aber auch "Geldstrafe" bedeuten kann, trifft nirgends besser zu als bei Kaugummi. Lanxess liefert Synthetikkautschuk zwar überwiegend an Reifenhersteller, die wegen hoher Wachstumsraten bei den Automobilzulassungen seit einiger Zeit ebenfalls verstärkt nach Asien drängen. Lanxess beliefert aber auch Kaugummihersteller mit speziellem Butylkautschuk.

Kaugummi ist in Singapur eine delikate Sache.1992 hatte die Regierung den Verkauf komplett untersagt, nachdem ein Fahrgast sein ausgekautes Gummi in die Tür einer U-Bahn geklebt und für Verspätungen im Nahverkehr gesorgt hatte. 2004 wurde das strikte Verbot zwar aufgeweicht, Kaugummis werden aber dennoch nur in Apotheken abgegeben - zu medizinischen Zwecken. "Wir holen uns die Monatsration in Malaysia", sagt Joanna Lee, Studentin der Rechtswissenschaften. "Da gibt es keine Ausweiskontrolle." (Günther Strobl aus Singapur, DER STANDARD; 8.6.2013)