Einst war sie dem Untergang geweiht, jetzt werden in der Zellstofffabrik in Pöls mehr als 100 Millionen Euro investiert.

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Wien - Es tut sich was in der österreichischen Papierindustrie. Nach dem schleichenden Ausverkauf der traditionsreichen Fabriken an ausländische Konzerne zeigen heimische Unternehmer wieder Flagge. Die Familienbetriebe Heinzel, Schwaighofer und Prinzhorn - um nur einige zu nennen - sorgen mit Investitionen und Zukäufen im In- und Ausland für frischen Wind in der von Multis dominierten Branche, in der eine Marktbereinigung stattfindet.

In den Jahrzehnten davor ging der Trend in die Gegenrichtung. Der hohe Kapitalbedarf in der Industrie hatte den kleinen österreichischen Playern in den 80er-Jahren immer mehr zugesetzt. Nachdem Gespräche über eine inländische Lösung gescheitert waren, rollte eine Verkaufswelle an: Die Bawag veräußerte die Fabrik Steyrermühl an die deutsche Haindl- Gruppe, die dann in der finnischen UPM Kymmene aufging.

Die einstige Creditanstalt-Tochter Leykam-Mürztaler mit den steirischen Werken in Gratkorn und Bruck an der Mur ging erst mit der niederländischen KNP zusammen. Nach der Abspaltung der Fabrik in Bruck, die Norske Skog erwarb, wurde KNP Leykam vom südafrikanischen Konzern Sappi übernommen. Die Nettingsdorfer Papierfabrik zählt schon lange zum irischen Smurfit-Konzern. Und Frantschach ging ab 1992 in mehreren Etappen an die ebenfalls südafrikanische Mondi-Gruppe.

Alte Bekannte

Der Standort Laakirchen, der ebenfalls vom Ausverkauf betroffen war, kam kürzlich wieder in österreichische Hände zurück. Alfred Heinzel, der einer breiteren Öffentlichkeit wegen seine turbulenten Aufsichtsratspräsidentschaft in der Staatsholding ÖIAG unter Schwarzblau in bleibender Erinnerung ist, hat den Kauf des Werks im April abgeschlossen. Es war sein Onkel Wilfried, der Laakirchen groß gemacht hatte, bevor er es (samt Ortmann, Bunzl & Biach und Handelshaus) 1988 an die schwedische SCA veräußerte. Alfred Heinzel, der das Werk noch unter Familienobhut geleitet hatte, hat die Weichen schon länger auf Expansion gestellt. Das einst schwer angeschlagene Zellstoffwerk in Pöls zählt mittlerweile ebenso zur Heinzel-Gruppe wie ein Standort in Estland.

Einen Rückschlag hat der leidenschaftliche Jäger 2005 mit einem Zukauf im Kartonschachtel-Bereich in den Niederlanden erlitten. Die Insolvenz der Gesellschaft brachte der ganzen Gruppe hohe Verluste ein. Mittlerweile wird wieder kräftig investiert: Neben dem Kauf von Laakirchen - hier sollen sich auch andere Investoren beteiligen - werden gerade 115 Millionen Euro in den Bau einer neuen Papiermaschine in Pöls gesteckt.

Freundschaftlich und beruflich verbunden ist Heinzel Thomas Prinzhorn, früherer FP-Nationalratspräsident. Dessen Sohn Cord hat zuletzt ein ordentliches Pensum absolviert. Erst vergangene Woche wurde der Kauf des viertgrößten türkischen Wellpappeherstellers abgeschlossen. Auch in Ungarn und der Ukraine wird groß investiert. Negative Schlagzeilen gab es zuletzt hingegen in Österreich: Die zur Prinzhorn-Gruppe zählende W. Hamburger GmbH sperrte im April das Werk in Frohnleiten bei Graz, das mit 100 Mitarbeitern zu klein und nicht rentabel zu führen war, wie der Junior-Chef meint.

Während Prinzhorn in Osteuropa expandiert, hat kürzlich ein anderer alter Bekannter eine Art Comeback in Österreich vollzogen. Die Schweighofer-Gruppe war einst mit ihrem Säge-Imperium im finnischen Holz- und Papierimperium Stora Enso aufgegangen. Gerald Schweighofer zog es verstärkt nach Rumänien und zuletzt auch in die Ukraine, wo er sich nach eigenen Angaben zu Europas Nummer zwei im Holz- und Sägebereich aufgeschwungen hat - hinter Stora Enso.

Seit Februar wird wieder in Österreich produziert: Schweighofer hat das 2009 von M-Real geschlossene Zellstoffwerk samt 40 Hektar Industrieareal erworben und um 60 Millionen Euro umgerüstet. Der erzeugte Zellstoff wird vor allem für die Textilindustrie verwendet und geht zur Gänze in den Export. "Wir haben nur in Nischenmärkten eine Chance", spricht Schweighofer den harten Wettbewerb an und räumt ein, dass der Zellstoffmarkt "sehr unter Druck" sei. Derzeit bereitet er gerade den nächsten Coup in Hallein vor: Auf dem Firmengelände soll ein anderer Betrieb 100 Mio. Euro in ein Werk zur Herstellung von Folien aus Biopolymere investieren. Synergien brächte das bei Abwärme und Kläranlage, erzählt Schweighofer.

Exportquote steigt

Unter Druck sind auch andere Sparten wie Zeitungs-, Magazin- und Kopierpapier. Trotz des Nachfragerückgangs in Europa legte die Produktion grafischer Papiere im Vorjahr aber zu. Heimische Werke profitierten davon, dass internationale Konzerne an anderen Standorten Kapazitäten stilllegten und heimische Fabriken auslasten. Die Exportquote ist somit laut Branchenverband Austropapier 2012 auf 86,8 Prozent gestiegen. Allerdings sind Werkschließungen in Österreich ebenfalls ein Thema, zumal echtes Wachstum in Asien statt in Europa stattfindet. Bei Mondi droht die Schließung von Kematen, als unsicher gilt auch die Zukunft von Steyrermühl.

Die politisch gut vernetzte Industrie mit ihren Leithammeln wie Mondi, Mayr-Melnhof oder Lenzing versucht einen Aderlass durch Verbesserungen der Rahmenbedingungen zu verhindern. Ganz oben steht der Vorwurf, dass die Papierindustrie im internationalen Vergleich bei der Ökostromförderung benachteiligt werde. Jetzt schießt man sich zusehends auf Subventionen für Biomasse ein. Die Verbrennung des wertvollen Rohstoffs Holz sei ökologisch wie wirtschaftlich fragwürdig, heißt es bei Austropapier. Kommende Woche will man Zähne zeigen. Von wegen Papiertiger. (Andreas Schnauder, DER STANDARD; 8.6.2013)