Österreichs 4-2-3-1/4-4-2 Hybrid fand zu Beginn gegen das schwedische 4-4-1-1 und sein Pressing im Zentrum keinen Zugriff. Als die Schweden das Tempo drosseln mussten, übernahm die ÖFB-Auswahl aber das Kommando und ging auch prompt in Führung.

Grafik: ballverliebt.eu

Es war keine vollkommen unkomplizierte Situation für das ÖFB-Team. Ein ausverkauftes Ernst-Happel-Stadion, in dem das Publikum vor Selbstvertrauen strotzte, zeigte: Es gab wieder einmal eine Hype-Phase rund um das Team. Enthusiastische Unterstützung ist natürlich eher ein Vor- als ein Nachteil, doch die Erwartungshaltung schien dem Kräfteverhältnis am Papier nicht angemessen. Immerhin haben die Skandinavier sich für sechs der letzten sieben Großveranstaltungen sportlich qualifiziert, seitdem Österreich das zuletzt gelang. Der Druck war also beachtlich für das Team aus dem vierten Lostopf gegen eines aus dem zweiten. Und die Mannschaft hielt ihm mit einer insgesamt kollektiv starken Leistung Stand.

Die vielen Fehlpässe des ÖFB-Teams in der Anfangsphase waren einer erklärbaren Nervosität geschuldet. Allerdings bewiesen die Gäste zu Beginn auch ihre Stärke. Gleich nach dem Ankick lief die österreichische Abwehr bis einige Meter an die Mittellinie heran. Diese hohe Linie erweckte durchaus den Eindruck, dass man sofort (wie fast schon gewohnt) Betrieb machen wollte. Die Schweden taten aber dasselbe und gewannen dabei die Oberhand. Österreichs Abwehr wurde schnell angelaufen, ihre Passwege mit viel Aufwand zugestellt und ihr Umschaltspiel unterbunden. Obwohl Teamchef Erik Hamrén mit mehr Druck am Anfang gerechnet hatte, dürften die Schwierigkeiten und offensive Zurückhaltung den Österreichern eher aufgezwungen worden sein.

Schwedens Spielaufbau lässt Österreichs Mittelfeld im Raum schweben

Österreichs Mittelfeld war beim schwedischen Spielaufbau ohne direkten Gegenspieler, weil zwischen Stürmern und Mittelfeld bei den Gästen viel Platz blieb. Weite Bälle und Flügelspiel dominierten. Bei Ballgewinn für den ÖFB waren die Passwege zugestellt und die Abwehr unter Druck.

Hamréns Mannschaft kam trotzdem kaum zu Chancen, weil die Gastgeber-Verteidigung konzentriert arbeitete. Györgi Garics schnappte Alexander Kacaniklic schon in der ersten Minute nach einer der (wenigen) schwedischen Kombinationen hellwach den Ball vom Fuß. Die einzigen beiden Möglichkeiten der Gäste in der ersten halben Stunde waren auf einen grauslichen Fehler von Robert Almer (4., Johan Elmander) und eine klare, jedoch ungeahndete Abseitsstellung nach einem Freistoß (11., Jonas Olsson) zurückzuführen. Die dritte und letzte Chance bis zur Pause bereitete Zlatan Ibrahimovic mit einer Einzelaktion vor (31.). Der Starstürmer band zwei Mann an sich und Kacaniklic bekam im freiwerdenden Raum eine weitere ungenützte Chance.

Tore verändern Spiele

Koller und Hamrén machten das 1:0 für den Umschwung im Spiel verantwortlich und dieser beidseitige Knacks im Selbstvertrauen ist kaum wegzureden. Allerdings hatte Kollers Mannschaft das Spiel zu diesem Zeitpunkt bereits seit einigen Minuten in den Griff bekommen und neben einer tatsächlichen Chance von Marc Janko (5., nach schnellem Einwurf) verhinderten nicht die Schweden sondern zu ungenaue letzte Pässe und Flanken weitere Möglichkeiten.

Schweden ließ das Pressing schon nach einer Viertelstunde vor allem im Zentrum etwas schleifen, wohl weil es nicht über 90 Minuten aufrechterhaltbar gewesen wäre, und Österreichs Abwehr und Mittelfeld hielten den Ball mit sicheren Pässe in den eigenen Reihen. Elmander und Ibrahimovic sowie die beiden äußeren Mittelfeldspieler orientierten sich gegen den Ball zwar immer noch stark an der österreichischen Verteidigung, allerdings hatten Julian Baumgartlinger und David Alaba nun etwas mehr Zeit und Raum. Deshalb gelang den beiden nun auch öfter ein sicherer Seitenwechsel, der im Laufe des Spiels zu einem wichtigen Element werden sollte.

Schwedens Pressing gegen seitlichen Spielaufbau

Schwedens Pressing gegen den seitlichen Spielaufbau der Österreicher machte die Gäste für Seitenwechsel anfällig - besonders als der Druck auf Alaba und Baumgartlinger nachließ.

Tiefe Seitenwechsel und steile Mechanismen

Schweden verschob immer wieder stark zum Ball und verdichtete dort das Spiel. Versuchte Österreich zum Beispiel einen Aufbau über Garics, wurden ihm die meisten konstruktiven Passwege zugestellt. Im Zusammenspiel mit Aleksandar Dragovic (später Sebastian Prödl) fand sich aber immer eine Möglichkeit Alaba anzuspielen und auf Christian Fuchs zu verlagern, der nun Meter machen konnte. Umgekehrt funktionierte das seltener, weil Garics den Weg nach vorne weniger konsequent suchte.

Die ÖFB-Elf kam häufig über hohe Bälle auf Marc Janko nach vorne, der diese entweder selbst weiterleitete, oder – wie beim Gegentor – zumindest keine gezielten Kopfbälle seiner Gegenspieler zuließ. Auf den Abschlag von Almer und den Luftkampf von Janko stieß immer mindestens ein Österreicher aus der zweiten Abwehrreihe im offensiven 4-2-3-1 steil nach. Dass Martin Harnik den Stellungsfehler von Olsson vor dem Elfmeter so ausnutzen konnte, war glücklich aber eben auch diesem Mechanismus geschuldet.

Österreich verpasst das entscheidende 3:0

Nachdem Alaba für das 1:0 sorgte (wegen der Pogatetz-Verletzung übrigens in Unterzahl, gegen Irland hat es da noch geklingelt) und Prödl ins Spiel kam, gelang Österreich plötzlich alles. Eine Mehrfachchance wurde noch vergeben (28.), doch Oscar Wendts lasches Abwehrverhalten gegen Harnik (32.) ließ dessen schöne Flanke zu, die mit Jankos fantastischem Flugkopfball vollendet wurde.

Österreich kam in der Folge über alle Kanäle. Rechts spulte Harnik sein herausragendes Programm mit dem sicheren Rückhalt von Garics herunter. Links hinterlief Fuchs den einsatzfreudigen Marko Arnautovic zum Flanken, was dieser auch mit dem ein oder anderen geglückten Schmankerl ermöglichte. Dazu kamen Schüsse aus zweiter Reihe von Zlatko Junuzovic (36.), Alaba (38.) und Arnautovic (42.). Das Ziel wurde jedoch nicht mehr gefunden.

Zur Pause musste Koller Janko aus dem Spiel nehmen. Für ihn kam Andreas Weimann. Obwohl Janko eine starke Partie spielte, wäre dieser Zwangswechsel früher oder später ohnehin gekommen. Weimann ist mit seiner Schnelligkeit der geeignetere Spieler für Konter und mit seiner Lauffreudigkeit der bessere Störer als Janko (weshalb Schweden-Trainer Hamrén schon in der Startaufstellung mit ihm gerechnet hatte). Beim Stand von 2:0 sind seine Stärken dann natürlich umso nützlicher.

Offenes Spiel in der zweiten Hälfte

Die Schweden forcierten ihr Forechecking nun wieder etwas mehr und kamen so auch zu ihrer ersten Chance des zweiten Durchgangs, doch Kacaniklic vergab diese (49.) ebenso wie Ibrahimovic seinen Distanzschuss wenig später (57.). Österreich versteckte sich aber nicht. Vor allem auf Spielverlagerungen reagierte Schwedens Abwehr weiterhin nicht erfreut, doch verfehlten Schüsse von Alaba (52.), Arnautovic (53., 58.) und Fuchs (85.) mitunter knapp das Ziel.

Hamrén stellte ab der 60. Minute sein 4-4-1-1 auf ein 4-1-3-2 um. Erst kam Anders Svensson für Rasmus Elm (60.), dann Ola Toivonen für Kim Källström (70.) Die beiden defensiven Mittelfeldspieler von Spartak und ZSKA Moskau blieben einiges schuldig. Der routinierte Svensson übernahm die Rolle des defensiven Mittelfeldspielers, Toivonen den offensiven. Später als Durmaz für Elmander (84.) kam und diesen Part im Zentrum übernahm, ging der Eindhoven-Spieler dann ganz in den Sturm. 

Umstellungen

Österreich hatte Probleme mit Spielern, die durch die Mitte den Alleingang versuchten. Dragovic musste eine Gelbe Karte an der Grenze zum Strafraum in Kauf nehmen (60.). Als Almer einen zu unbedrängten Schuss von Svensson (73.) parieren musste, begann das Problem auffällig zu werden. Im Gegenzug scheiterte Weimann per Kopf an Isaksson (74.), danach reagierte Koller.

Er nahm mit Junuzovic einen offensiven Mann vom Feld, um mit Frenkie Schiemer mehr Robustheit ins Zentrum (75.) zu bringen und eine Doppelsechs zu etablieren. Da Veli Kavlak gesperrt fehlte, war Schiemer dafür der logische Mann. Alaba, der davor oft mit Junuzovic rotierte, rückte nun fix ins offensive Zentrum. Die 4-2-3-1-Formation blieb dadurch bestehen wurde aber defensiver interpretiert. Die disziplinierte ÖFB-Defensive hielt mit einigermaßen hoher Abwehrlinie den Ball (und damit auch Ibrahimovic, der nicht ohne Grund zu wenigen Möglichkeiten kam) gut vom eigenen Tor weg, trotzdem blieb Österreich im Konter gefährlich.

Almer braucht Spielpraxis, verdient aber Lob

Schon vor diesen Umstellungen hatte der am Ball nervöse aber auf der Linie starke ÖFB-Schlussmann per Fußabwehr nach einer Ecke den Anschlusstreffer verhindert (67.). Obwohl Almer - vielleicht mangels Spielpraxis - manchmal mit dem Ball am Fuß hektisch wirkt und er ihm unter Druck auch regelmäßig abreißt: Dass Österreich erst fünf Gegentreffer in dieser Qualifikation erhalten hat (quer über alle UEFA-Qualigruppen gesehen ein guter Wert), ist durchaus auch ein Verdienst des Düsseldorfer Ersatzmanns, der hoffentlich für die kommende Saison einen anderen Verein und Stammplatz finden wird.

Nichts zu machen gab es für Almer in der 82. Minute. Beim 2:1 - einem der wenigen naiven Momente des österreichischen Spiels - wurde besonders Dragovic in aufgerückter Position erwischt und kam Elmander dann nicht mehr nach. Der erfahrene Galatasaray-Stürmer erzielte den absolut verdienten Anschlusstreffer für die Schweden. Dann wurde er ausgewechselt.

Kollers Vertragsverlängerung überfällig

Schweden blieb in der Folge harmlos. Daran änderte auch nichts, dass das Dreikronenteam längst mit einer bemerkenswerten und durchaus teilweise rotwürdigen Härte am Werk war. Wehleidigkeit über einen am Ende nicht gegebenen Elfmeter des durchwegs schwachen Schiedsrichters sollten sie sich dementsprechend sparen. Österreich siegte mit einer über weite Strecke abgeklärten und konzentrierten Leistung schlichtweg verdient. Das Schöne daran: Der Sieg wurde nicht am Rücken einer Einzelleistung getragen, sondern im Kollektiv erarbeitet.

Von Brasilien ist man nach wie vor noch recht weit entfernt, aber man kann die WM-Qualifikation - sofern nun nicht noch alles schief geht - ungeachtet der Schlussposition wohl bereits als geglückten Versuch bezeichnen. Warum Marcel Kollers Vertrag noch nicht verlängert ist, weiß dementsprechend nur der ÖFB. Hoffentlich wird diese augenscheinliche Zögerlichkeit nicht bestraft. Die gute Leistung des Teamchefs wird auch anderen Interessenten längst aufgefallen sein. (Tom Schaffer, derStandard.at, 8.6.2013)