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Gegen FMA-Regeln: Heinrich Staudinger (re.) mit Unterstützer Roland Düringer im Dezember 2012.

Foto: APA/Herbert Pfarrhofer

Das Vorgehen der FMA gegen die Waldviertler Schuhfabrik GEA wird von unterschiedlicher Seite mit der Begründung des "Konsumentenschutzes" verteidigt. Diese Argumentation macht hellhörig: Jene, die ihr Kapital einem Unternehmen zur Verfügung stellen in der Erwartung, dass daraus mehr Kapital - aus Geld mehr Geld - werde, sind private Kapitalgeber oder Investoren, von daher wäre allenfalls der "Investorenschutz" anzurufen. Schon "Anlegerschutz" wäre nicht ganz zutreffend, weil das Geld ja nicht auf der Börse oder bei einem Fonds - auf dem "Kapitalmarkt" - angelegt wird, sondern direkt in einem Unternehmen, dessen Kunden die Geldgeber sind. Aber "Konsumenten"? Welche Leistung konsumieren denn die Geldgeber von GEA? Die Vermehrung ihres Geldes, ohne dass sie selbst dafür arbeiten würden: Die Aneignung der Wertschöpfung der Arbeit anderer - das ist, mit Verlaub, Kapitalismus. Und nicht Konsum.

Erstaunlich ist die Buntheit der Allianz, die plötzlich für die Verteidigung vermeintlicher Konsumenten eintritt. Darunter die Arbeiterkammer, die sich üblicherweise für gerechte Löhne und humane Arbeitsverhältnisse einsetzt. Oder allenfalls für GEA-Kunden, damit sie nicht unwissentlich Blei im Bettgestell oder Kinderarbeit im Komfortschuh miteinkaufen. Dass sich die AK für den Schutz der Bezieher von Vermögensrenten einsetzt, überrascht - darf das als Hinweis darauf verstanden werden, dass wir alle zu Rentiers werden sollen? Oder als ein Symptom dafür, dass die Rollen zwischen Kapitalisten und Lohnabhängigen bereits so verschwommen sind, dass sich die AK unversehens in die Hoheitsgewässer des Anlageschutzes verirrt hat?

Der Schutzinstinkt der Arbeitnehmervertretung wäre zu verstehen, wenn es in Schrems um die Protektion von Pensionsvorsorgenden ginge, die durch die Demontage des staatlichen Umlageverfahrens Schnitt für Schnitt dazu gezwungen werden, privat vorzusorgen (Betriebsrente, Zukunftsvorsorge, Abfertigung neu). Auch wenn der bessere, politisch aber vorerst verlorene, Weg darin bestünde, Generationenvertrag und Umlageverfahren zu stärken und die Pensionisten unabhängig von Kapitaleinkommen zu machen. Denn mit der Hoffnung auf hohe Kapitaleinkommen schneiden diese sich sowohl als Lohn- und Gehaltsbezieher ins eigene Fleisch (hohe Profite, Dividenden und Kursgewinne senken die Lohnquote) als auch als Konsumenten (durch hohe Spar- werden Kreditzinsen teurer und damit die Produkte). Staudingers Sparverein hat aber mit Pensionsvorsorge herzlich wenig zu tun. Hier handelt es sich um Risiko- und in einigen Fällen sogar um Freundschaftskapital: Viele würden es auch ohne Zins machen!

Während das Grundmotiv der AK verständlich ist - vor unseriösen Kapitaleinsammlern wimmelt es -, ist der Konsumentenschutz durch "liberale" Kapitalisten geradezu grotesk: Fürsprecher des Großkapitals, welche die Eigentumsfreiheit sonst über alles stellen, wollen diese hier urplötzlich und ohne mit der Wimper zu zucken einschränken. Darf ich denn als Privateigentümer mit meinem Eigentum nicht machen, was ich will? Darf ich mein Vermögen nicht einem Unternehmen, dessen Kunde ich bin, zur Verfügung stellen, ohne dass dieses gleich zu einer Bank oder wenigstens Genossenschaft werden muss? Werden Dritte gefährdet, wenn ich auf das "falsche" Unternehmen setze und dieses Pleite geht? Nein? Warum um alles in der Welt verliere ich dann mein Grundrecht? Dient der "Konsumentenschutz" gar als Tarnanzug, um ganz anderen Interessen zu dienen?

Unklar ist, ob in der Causa Waldviertler das Bankwesengesetz überhaupt zuständig ist: Laut Recherchen einer Juristin an der Universität Salzburg gibt es für das inkriminierte "Einlagengeschäft" gar keine Legaldefinition!

Regeln für Große gemacht

Einschlägige Rechtskommentare interpretieren, dass ein solches Geschäft nur von Kreditinstituten durchgeführt werden kann. Somit müsste eigentlich zuerst der Gesetzgeber klären, ob ein Schuster, der Kundengelder für eigene Investitionen verwendet, überhaupt ein Einlagengeschäft im Sinne des Gesetzes betreibt. Diese Klärung ist ausständig. Dagegen ist unbestritten, dass der Schuhmacher-Sparverein in den Geltungsbereich des Kapitalmarktgesetzes fällt. Dieses sieht in Österreich - im Unterschied zur Mehrheit der EU-Staaten - vor, dass ein standardisierter Prospekt schon ab einem Projektvolumen von 100.000 Euro erstellt werden muss. In Ländern wie Italien, Finnland, Luxemburg oder Dänemark liegt diese Schwelle bei fünf Millionen Euro.

In Österreich mahlen die Finanzaufsichtsmühlen an dieser Stelle härter. Was ist daran das Problem? Ein Prospekt kostet mindestens 35.000 bis 50.000 Euro. Das ist einem Unternehmen in einer strukturschwachen Region mit einer Lohnspreizung von 1:2 nicht zumutbar. Diese Regeln wurden aber auch für Aktiengesellschaften gemacht und nicht für Handwerksbetriebe. Mit einer Gesetzesnovelle "Prospekt light" für kleinere Unternehmen würde die Gleichbehandlung Ungleicher (Konzern und KMU) beendet. Dem Investorenschutz wäre Rechnung getragen. Und die Konsumenten von GEA, Einkäufer von Sandalen und Matratzen, hätten sicher auch nichts dagegen.

PS: Dass auch gesetzeskonforme Hochglanzprospekte kleine Anleger in den letzten Jahren nicht vor schmerzhaften Verlusten bewahrt haben, indiziert: Am Hochglanzprospekt kann es nicht liegen. Wenn die Gier treibt, nützt der elaborierteste Prospekt nichts. Vielleicht wäre daher ein greller Warnhinweis wie auf Zigarettenpackungen effektiver, der den möglichen Maximalverlust bei Projekten jeder Größe fett anzeigt. Wer dann noch kauft, ist im Aus-Fall wirklich selbst schuld und sollte nicht weiter geschützt werden - von niemandem. Außer eben von einem starken und funktionierenden Umlage-Pensionssystem. (Christian Felber, DER STANDARD, 10.6.2013)