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Der Koordinator der US-Nachrichtendienste, James Clapper.

Foto: AP/Applewhite

Washington - Berichte über ein riesiges Internet-Überwachungsprogramm der USA haben in Europa für scharfe Kritik gesorgt. In Berlin und London wurden am Wochenende Beratungen in den Parlamenten zum Thema angekündigt.

In Großbritannien muss Außenminister William Hague am Montag im Parlament Stellung nehmen. Bereits am Sonntag bestritt er, dass britische Geheimdienste bei der Sammlung elektronischer Daten von Internetnutzern Gesetze verletzt haben. Aber er verweigerte eine Antwort auf die Frage, ob der britische Geheimdienst Zugriff auf "Prism" habe und ob er als zuständiger Minister die Erlaubnis dafür gegeben habe.

Auch in Berlin forderte der zuständige Ausschuss des Bundes­tages Aufklärung von den Amerikanern. Obama solle Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem am 19. Juni geplanten Treffen dazu Rede und Antwort stehen.

Direkter Server-Zugriff für NSA und FBI

Nach Informationen der "Washington Post" und des "Guardian" haben der US-Geheimdienst NSA und die Bundespolizei FBI die Möglichkeit, direkt auf die Server großer Internetfirmen wie Google zuzugreifen. Sie könnten so die Internetaktivitäten von Nutzern weltweit überwachen. Mehrere Internetkonzerne bestreiten jedoch, davon Kenntnis zu haben.

Betroffen sind neun Unternehmen, darunter auch Facebook, Microsoft und Apple. US-Präsident Barack Obama betonte, das Programm namens "Prism" sei vom Kongress gebilligt und seit dem Jahr 2006 mit überparteilicher Zustimmung wiederholt erneuert worden. Dem Präsidenten zufolge richtet sich die Internetüberwachung nicht gegen Bürger und Einwohner der USA.

USA verteidigen Programm: Nicht gegen US-Bürger gerichtet

Der Koordinator der US-Nachrichtendienste, James Clapper, verteidigte das Programm mit Nachdruck. Es sei legal, nicht gegen US-Bürger gerichtet und habe die USA vor Bedrohungen geschützt, erklärte er. Clapper kritisierte "leichtsinnige Enthüllungen" und warf den Medien vor, "bedeutende Fehldarstellungen" verbreitet zu haben. Nach Angaben von Obamas Vizesicherheitsberater Ben Rhodes prüft die US-Regierung juristische Schritte gegen die Veröffentlichungen.

Parallel zu der Erklärung veröffentlichte die US-Regierung Hintergrundinformationen zu dem Programm. Dabei soll es sich um ein "internes Computersystem der Regierung" handeln, mit dem diese leichter Informationen bearbeiten könne, die sie von Internetdienstleistern erhalte. Die Regierung könne nur dann eine Internetüberwachung anordnen, wenn es einen "zulässigen und dokumentierten geheimdienstlichen Zweck im Ausland" gebe. Darunter fielen der Kampf gegen den Terrorismus, die Verbreitung von Waffen und Cyberbedrohungen. In früheren Erklärungen der US-Regierung waren die letzten beiden Punkte bisher nicht aufgelistet worden.

Weitere Enthüllungen

Der deutsche Datenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte am Wochenende dem WDR, die deutsche Regierung müsse sich für einen Stopp derartiger Programme einsetzen. Auch im britischen Parlament soll sich das für die Geheimdienste zuständige Gremium der Thematik annehmen. Er erwarte in den kommenden Tagen, möglicherweise bereits am Montag, einen Bericht der Regierung, erklärte der Ausschussvorsitzende, Malcolm Rifking.

Der "Guardian" setzte indes seine Enthüllungsserie fort und berichtete von einem System der NSA, das einen Überblick über die weltweit gesammelten Informationen gebe. Es heiße "Boundless Informant" (grenzenloser Informant) und zeige unter anderem an, wie sich die Daten auf einzelne Länder verteilen. Allein im März habe die NSA laut dem System 97 Milliarden Dateneinheiten aus Computernetzwerken in aller Welt gesammelt. Davon entfielen 14 Milliarden auf den Iran und 13,5 Milliarden auf Pakistan. (red, DER STANDARD, 10.6.2013)