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Ai Weiwei macht sich immer gut: Bundespräsident Heinz Fischer begreift den deutschen Beitrag im französischen Pavillon. Der Künstler selbst durfte nicht zur Kunstbiennale Venedig 2013 anreisen.

Foto: APA/Peter Lechner

Nicht so wichtig ist ihnen die Kulturpolitik: Manche verweigern beharrlich die Diskussion und verzichten darauf, Position zu beziehen - Eine Polemik.

Wien - Wenige Tage vor der Eröffnung der diesjährigen Biennale von Venedig berichtete Markus Schinwald, der Vertreter Österreichs 2011, recht unterhaltsam von seinen Erfahrungen in den Giardini. Auf Heinz Fischer war er gar nicht gut zu sprechen. Denn Schinwald hätte dem Bundespräsidenten stundenlang zur Verfügung stehen müssen - für dessen Auftritt. Die Kunst soll Fischer, jedenfalls laut Schinwald, nur peripher interessiert haben: Wichtiger sei es gewesen, gediegen Essen zu gehen. Zudem hätte sich der HPB, der Herr Bundespräsident, nur so lange lächelnd in der Schlange vor dem österreichischen Pavillon angestellt, bis alle Fotos geschossen waren. Danach habe Fischer doch lieber die Rettungsgasse genutzt - direkt in die komplexe Installation von Schinwald. Nähere Erklärungen zu dieser seien dem Staatsoberhaupt jedoch nicht wichtig gewesen.

Selbst wenn Schinwald in seiner Erzählung über die Stunden mit dem Bundespräsidenten stark übertrieben haben sollte - er äußerte sich schließlich im Rahmen des Festivals What Would Thomas Berndard Do: Der Bericht trifft das gegenwärtige Verhältnis von Politik und Kunst ziemlich gut. Auch die Eröffnung des diesjährigen Beitrags durch Fischer und Kulturministerin Claudia Schmied wurde von vielen als oberflächlich und peinlich empfunden. Generell hat die Kunst, so die Beobachtung, vor allem repräsentationstauglich zu sein. Und der Betrieb hat, naturgemäß auf hohem Niveau, zu funktionieren. Ein ernsthaftes, tiefergreifendes Interesse gibt es aber so gut wie nicht.

Selbst Kulturpolitiker, die sich zumindest aufgrund ihrer Funktion mit Kunst und Kultur beschäftigen sollten, scheuen die Konfrontation. Sie wollen nicht, wie früher die Wiener Kulturstadträtin Ursula Pasterk, gestalten, sondern lassen verwalten. Sie verweigern den Dialog, ziehen sich in ihre abgeschotteten Amtsräume zurück und erklären die Feigheit zum Programm.

Wann hat man das letzte Mal klare Worte vom Wiener Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny zur Zukunft des Wien Museums oder des Künstlerhauses gehört? Wann hat er das letzte Mal eine mutige Entscheidung getroffen und diese rhetorisch brillant verteidigt? Und: Was ist eigentlich in den letzten beiden Jahren, also zu Zeiten der rot- grünen Koalition, kulturpolitisch in Wien passiert?

Genau darüber wollte die IG Kultur debattieren. Alle Diskutanten richteten sich nach dem Zeitplan von Mailath-Pokorny, ein Termin wurde gefunden, und wenige Tage vor der Veranstaltung sagte der sozialdemokratische Kulturpolitiker aufgrund einer "Terminkollision" ab. Ein neuer Anlauf wurde unternommen, wieder richtete man sich nach dem Stadtrat, wieder wurde ein Termin ausgegeben (der 18. Juni) - und wieder sagte Mailath-Pokorny ab. Wieder wegen einer Terminkollision. Beide Male bot er an, dass er Ernst Woller, den Kultursprecher der SPÖ Wien, schicken könne. Dann würden sich die Koalitionspartner auf Augenhöhe begegnen. Denn für die Grünen hätte Klaus Werner-Lobo, ebenfalls Kultursprecher, reden sollen.

Es sollte aber eine Diskussion mit den Personen geben, die Entscheidungen treffen können und das ausverhandelte Koalitionsabkommen umzusetzen sollten. Und diese Diskussion ist nicht nur über das Wien Museum und das Künstlerhaus zu führen, sondern z.B. auch über das viel zu geringe Kunst- und Kulturangebot in den Sprachen der Wiener, die nicht Deutsch können. (Die IG Kultur thematisiert Mailath-Pokornys Gesprächsverweigerung am Mittwoch in einer Pressekonferenz.)

Auch Claudia Schmied verweigert die offene, öffentliche Diskussion. Vielleicht, weil sie Angst hat, Defizite einbekennen zu müssen. Jüngstes Beispiel ist die Debatte um die Zukunft der Salzburger Festspiele. Denn Intendant Alexander Pereira übernimmt bereits 2015 die Scala. Soll der Posten gleich ausgeschrieben werden? Soll es eine Interimsintendanz geben? Am Dienstag will das Kuratorium eine Entscheidung treffen. Gabi Burgstaller, die scheidende Salzburger Landeshauptfrau, äußerte sich dezitiert. Auch Wilfried Haslauer, ihr wahrscheinlicher Nachfolger, und Heinz Schaden, der Salzburger Bürgermeister, taten dies. Nur Schmied schwieg.

Da sie nicht zu sprechen war, erbat der Standard ein Statement. Es lautet: "Phasen des Übergangs sind stets auch Chancen für einen Neubeginn. Mir ist wichtig, dass der Wechsel von Alexander Pereira wertschätzend gestaltet wird. Das Kuratorium genießt mein volles Vertrauen. Ich bin sicher, dass eine Lösung im Sinne aller Beteiligten gefunden wird."

Hat Schmied überhaupt einen Gestaltungswillen? Und hat sie eine Position? Deren Pressesprecher argumentierte auf Nachfrage, dass Schaden und Burgstaller stimmberechtigte Mitglieder des Kuratoriums seien, Schmied aber nicht: "Vertrauen in die Entscheidung des Kuratoriums, das IST Ministerin Schmieds Position."

Nun ja, der Pressesprecher vergaß, eines zu erwähnen: Dass Andrea Ecker, die Leiterin der Kunstsektion, von Schmied ins Festspielkuratorium entsandt wurde. Sollte Andrea Ecker weisungsfrei entscheiden dürfen, dann ist sie die Kulturpolitikerin - und Claudia Schmied ist es nicht. Sollte Ecker jedoch weisungsgebunden agieren, dann braucht Schmied eine Position. Falls sie die Aufgaben einer Kulturpolitikerin zumindest im Ansatz zu erfüllen gedenkt. (Thomas Trenkler, DER STANDARD, 10.6.2013)