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Alenka Bratušek führt seit März die Regierung.
STANDARD: Die slowenische Regierung hat die Mehrwertsteuer von 20 auf 22 Prozent gehoben und einige Sparmassnahmen eingeleitet. Experten haben kritisiert, dass die Anhebung der Steuern zu weniger Konsum und steigender Rezession führen kann. Werden die Konsolidierungsmaßnahmen überhaupt reichen? Oder wird es doch noch eine Krisensteuer geben?
Bratušek: Wir sind uns bewusst, dass jede Steuer einen negativen Einfluss auf die Wirtschaft hat, aber wir haben diese Entscheidung getroffen, weil wir glauben, dass diese Maßnahme noch die am vergleichsweise geringsten negativen Auswirkungen hat. Wir glauben auch, dass es der einzig richtige Weg ist, wenn wir die Haushaltskonsolidierung einnahmenseitig und ausgabenseitig angehen. Sparmaßnahmen alleine lösen das Problem nicht.
STANDARD: Werden Sie halten diese Politik 50 Prozent einnahmenseitig und 50 Prozent ausgabenseitig, zu konsolidieren, beibehalten?
Bratušek: Ich denke, dass diese Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung mehr auf der Ausgabenseite betont werden sollten. Also die Ausgabenseite soll Zweidrittel und die Einnahmen Eindrittel ausmachen. Und das sollte so für das nächste Jahr sowie einige folgende Jahren bleiben. Natürlich werden wir auch Maßnahmen auf der Ausgabenseite treffen. Wenn wir so weitermachen werden und erfolgreich sind auf der Ausgabenseite, werden wir in der Lage sein, die Krisensteuer zu vermeiden.
STANDARD: Das bedeutet also mehr Kürzungen im öffentlichen Sektor?
Bratušek: Wir haben eine Vereinbarung mit den Sozialpartnern erreicht, welche dieses Jahr und das nächste Jahr abdeckt. Jetzt müssen wir auch andere Kategorien durchforsten, also diejenigen, die aus den öffentlichen Fonds finanziert werden, um zu sehen, ob es auch dort ein Sparpotenzial gibt.
STANDARD: Ab Sommer sollen faule Kredite in die Bad Bank übertragen werden. Wie viel der insgesamt sieben Milliarden Euro an faulen Krediten? Und wann wird diese Umstrukturierung des Bankensektors abgeschlossen werden?
Bratušek: Wir sind uns bewusst, dass das Bankensystem in diesem Moment das Problem Nummer eins in Slowenien ist. Wir haben bereits das erste Paket, das sich auf die Nova Ljubljanska banka (NLB) bezieht, zur Genehmigung nach Brüssel geschickt. Und ich hoffe, dass wir eine schnelle Antwort für bekommen. Die ersten Transfers werden Anfang Juli, wenn nicht bereits Ende Juni stattfinden. Und unsere Schätzung ist, dass wir 3,3 Milliarden Euro für diese Bad Bank brauchen werden, also sollen 3,3 Milliarden Euro an faulen Krediten übertragen werden. Für den Staat, bedeutet das, dass wir 1,1 Milliarden Euro beitragen müssen. Für das andere Geld, das benötigt wird, haben wir bereits Wertberichtigungen in den Banken eingeführt.
STANDARD: Alles in allem gibt es aber rund sieben Milliarden an faulen Krediten in den Staatsbanken in Slowenien.
Bratušek: Ja, nach den Schätzungen der Bank von Slowenien, stehen die faulen Kredite bei 3,3 Milliarden Euro gemacht. Das sind die Kredite, die übertragen werden, aber natürlich gibt es auch andere. Die Schätzungen sind auch höher.
STANDARD: Wann wird die Umstrukturierung der staatlichen Banken abgeschlossen sein?
Bratušek: Diese Transfers müssen sobald möglich durchgeführt werden. Ich möchte nicht bis zum Ende des Jahres sagen, aber wirklich so bald wie möglich.
STANDARD: Aber es gibt doch noch mehr schlechte Kredite.
Bratušek: Ja natürlich, aber wir werden nicht alle Probleme der Banken lösen. Die haben auch einige ihrer Probleme selbst zu lösen.
STANDARD: Teil des Plans ist es, einige der staatlichen Banken in Slowenien zu privatisieren. Wenn Sie in die Zukunft blicken, wie soll das Bankensystem in fünf Jahren aussehen? Was sollte privat und was öffentlich sein sollten?
Bratušek: Zunächst einmal sollte man einen größeren Blick über ganz Europa oder sogar über das Meer in die Vereinigten Staaten werfen. Es waren nicht nur die staatlichen Banken, die Probleme haben. Und wir haben auch das erste Paket der Privatisierung angenommen. Die zweitgrößte slowenische Bank NKBM ist Teil davon. Aber ich möchte nicht spekulieren, was wir mit der NLB tun.
STANDARD: Also für die NLB ist für dieses Jahr nichts geplant?
Bratušek: Nein, im Moment, nicht.
STANDARD: Ein Teil Ihres Programms ist es, 15 staatseigene Unternehmen zu verkaufen. Wann soll das geschehen? Gibt es einen Zeitrahmen? In diesem Jahr, im nächsten Jahr? Und was zuerst? Die Telekom Slovenije?
Bratušek: Ja, es gibt 15 Unternehmen auf der Liste. Natürlich muss die Nationalversammlung das billigen, aber ich sehen keine Komplikationen. Natürlich kann ich jetzt nicht sagen, wann diese Unternehmen verkauft werden. Aber die Verfahren müssen wirklich sehr transparent und natürlich im Einklang mit den Rechtsvorschriften sein. Wir werden diese Verfahren zum Verkauf sofort starten, wenn wir die Zustimmung der Nationalversammlung erhalten.
STANDARD: Wann ist das?
Bratušek: Im Juni.
STANDARD: Sie haben auch das Gesetz über Referenden geändert, sodass nicht mehr jedes Gesetz durch ein Referendum außer Kraft gesetzt werden kann, wie das bisher war. Sie haben auch die Schuldenbremse in der Verfassung verankert. Bevor Sie Premierministerin wurden, waren Sie allerdings gegen diese Maßnahmen. Was hat Sie dazu gebracht, Ihre Meinung zu ändern?
Bratušek: Das werde ich mit ein bisschen Humor Weise beantworten: Es war nicht Angela Merkel oder die Europäische Kommission, die meine Meinung geändert haben. Meine Partei, Pozitivna Slovenija, hat die Änderungen der Verfassung unterstützt. In einer Art, haben wir diesen Prozess möglich gemacht. Aber die bisherige Regierung bestand darauf, dass die Haushaltskonsolidierung bis Ende 2015 abgeschlossen werden muss. Und ich war nicht damit einverstanden und auch heute stimme ich dem nicht zu. Aber es liegt nun an dieser Regierung die Rechtsvorschriften zur Umsetzung dieser Haushaltskonsolidierung zu verfassen und in dieser Gesetzgebung müssen wir wirklich im Einzelnen die Methodik und den Zeitrahmen definieren. Und das ist es, was mich und meine Abgeordneten überzeugt hat.
STANDARD: Offensichtlich gibt es einen neuen Pragmatismus hier in Slowenien. Sie haben davon gesprochen, dass man Parteiinteressen hinter sich lassen muss.
Bratušek: Wissen Sie, manchmal muss man einen Schritt zurückmachen, damit man zwei oder drei Schritte nach vorn machen kann.
STANDARD: Ist Pozitivna Slovenija immer noch sehr unter dem Einfluss des Bürgermeisters von Ljubljana, Zoran Jankovic? Was ist seine Position in der Partei jetzt?
Bratušek: Zoran Jankovic ist derjenige, der Pozitivna Slowenien gegründet hat. Und ohne ihn würde ich jetzt nicht hier vor Ihnen sitzen. Er ist der Bürgermeister von Ljubljana, aber er mischt sich nicht in die Politik meiner Regierung.
STANDARD: Sie sind also nicht in Konsultationen mit ihm über Regierungsfragen?
Bratušek: Nein.
STANDARD: In den letzten Monaten gab es viele Proteste hier in Slowenien, angefangen in Maribor, aber auch hier in Ljubljana. Dabei ging es immer um die politische Kultur hier in Slowenien. Es gab einen Bericht der Anti-Korruptions-Kommission, die zum Rücktritt des Bürgermeisters von Maribor führte. Auch Zoran Jankovic trat vom Posten des Parteichefs zurück. Wann soll Ihrer Meinung nach ein Politiker Schritt zurücktreten? Dann, wenn er unter Korruptionsverdacht steht?
Bratušek: Ja, es ist stimmt, das ist eine Frage der politischen Kultur und diese ist in Slowenien niedrig. Aber es ist auch wahr, dass in Slowenien jeder jeden "verurteilen" kann, dass er oder sie etwas falsch gemacht hat. Und das ist auch nicht richtig.
STANDARD: Was meinen Sie mit „verurteilen"?
Bratušek: Für schuldig erklären. Und selbst dann, wenn sich herausstellt, dass es nicht wahr ist, wird am Ende niemand für die falschen Anschuldigungen bestraft.
STANDARD: Meinen Sie, dass die Öffentlichkeit manipuliert wird, wenn jemand ohne Beweise beschuldigt wird?
Bratušek: Auch die andere Möglichkeit ist realistisch. Aber es hat vielleicht in Slowenien davon zu viel gegeben und es gab zuviel Druck, dass ein Politiker zurücktreten muss.
STANDARD: Ich habe den Eindruck, dass es hier einen Mangel an Vertrauen gibt. Die Unternehmer wollen nicht investieren, weil sie kein Vertrauen in die Wirtschaft haben und die Leute vertrauen nicht mehr in Politiker. Wie kann man Vertrauen wieder aufbauen?
Bratušek: Ja. Es gibt im Gesamten einen Mangel an Vertrauen. Eine der drei Aufgaben, die meine Regierung und ich ausführen müssen, ist, dass die Leute glauben, dass wir einen Rechtsstaat haben und dass unser Staat fair ist. Natürlich kann man das nicht von heute auf morgen oder in zwei Tagen machen, wenn wir den das System über Jahre zerstört haben. Aber ich trete stark dafür ein.
STANDARD: Ihre Regierung muss eine Vertrauensabstimmung im Parlament in neun Monaten bestehen. Erwarten Sie, dass Ihre Regierung bis zum Ende des Mandats bleiben wird?
Bratušek: Ich weiß es nicht. Es wurde so vereinbart, wie Sie es erwähnt haben. Aber wir haben bereits geschafft, die Situation in Slowenien zu stabilisieren. Und jetzt folgt natürlich die Einführung aller notwendigen Maßnahmen.
STANDARD: Es könnte für Sie hart werden, wenn es um neue Sparmaßnahmen geht, weil Sie die Gewerkschaften und Ihre Koalitionspartner, die Sozialdemokraten überzeugen müssen.
Bratušek: Ja. Aber bis jetzt, ging es gut. Wir haben es geschafft, eine Einigung mit den Gewerkschaften zu erreichen und wir sind auch nicht im Streit mit unserem Koalitionspartner der Sozialdemokraten.
STANDARD: Kroatien tritt am 1. Juli der EU bei, obwohl es in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt. Was bedeutet das für die EU? Und was hat Slowenien aus den Streitigkeiten mit Kroatien während der EU-Integration gelernt?
Bratušek: Ich möchte zunächst sagen, dass auch für Slowenien der Beitritt von Kroatien zur Europäischen Union von strategischer Bedeutung ist. Nun werden alle Nachbarländer Mitglieder der EU sein. Und ich glaube, dass dies die wirtschaftliche Zusammenarbeit erleichtern wird und auch die Beziehungen zwischen den Ländern stärken wird. Ich möchte diese Gelegenheit ergreifen, um Kroatien zu gratulieren. Es ist wahr, dass es einige Hindernisse auf diesem Weg gab, aber bisher haben wir es geschafft, sie erfolgreich zu überwinden und für die Zukunft sehe ich keine Komplikationen.
STANDARD: Also die Beziehungen sind viel besser?
Bratušek: Da stimme ich zu. (Adelheid Wölfl, DER STANDARD, 10.6.2013, Langfassung)