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Eine Anhängerin von Saeed Jalili verteilt auf einer Straße in Teheran dessen Foto. Der öffentliche Wahlkampf war diesmal aufs Minimum beschränkt.
Teheran/Rom - Trotz der beschränkten Wahlmöglichkeiten und des fast nicht existenten Wahlkampfs sind die iranischen Präsidentschaftswahlen am Freitag spannend geworden. Es ist zwar letztlich zu erwarten, dass zwei dem religiösen Führer Ali Khamenei nahestehende Männer in die Stichwahlen zwei Wochen nach dem ersten Termin kommen - wobei es auch da substanzielle Unterschiede gibt. Aber bei der TV-Runde am Freitag hat Hassan Rohani, der als stärkster Kandidat des Reformlagers gilt, zumindest starke Präsenz gezeigt.
Es gehört zu den iranischen Besonderheiten, dass gerade der weltläufig - er benützt auch englische Ausdrücke - und politisch versiert auftretende Rohani ein Mullah ist. Unter denen, die als engste Regimekandidaten gelten, ist hingegen kein Geistlicher. Ob sich die Zustimmung vieler Junger und Gebildeter zu Rohani auch an den Wahlurnen niederschlagen wird, ist aber äußerst unsicher. Khameneis Aussage, dass jede abgegebene Stimme eine für die Islamische Republik ist, wird systemkritische Wähler eher abschrecken. Rohani hat nur Chancen, wenn die Wahlbeteiligung sehr hoch ist.
Auch der frühere Außenminister Ali Akbar Velayati machte laut Beobachtern im Fernsehen gute Figur. Frontal ging er Saeed Jalili, mit 48 Jahren der jüngste Kandidat, wegen seiner Verhandlungsführung in der Atomfrage an. Während sich Jalili sehr ideologisch gab und von Recht und Ungerechtigkeit redete, verwies der Profi darauf, dass Politik ein Geschäft, das Geben und Nehmen beinhalte, sei. Auch Rohani, der Jalilis Posten unter Präsident Mohammed Khatami innehatte, profilierte sich bei dem Thema.
Ebenfalls Schwächen, wie Jalili, zeigte auch der zweite Kandidat, der als Tipp für die Stichwahlrunde gilt: Teherans Oberbürgermeister Mohammed-Bagher Ghalibaf. Der 51-Jährige ist ein recht beliebter Stadtvater, ihm fällt aber immer wieder seine Zeit als Teheraner Polizeichef auf den Kopf. Ihn meinte auch Rohani mit der Spitze: "Ich bin ein Jurist und kein Oberst."
Der angriffige Velayati hätte dann eine Chance, wenn er mit seinem Pro-Minderheiten-Wahlkampf die Wähler in der Provinz Khorasan mobilisieren kann. Dort gibt es viele Stimmen zu holen. Wer in Teheran vorn liegt, ist noch nicht klar. Etwa 30 Prozent der Iraner und Iranerinnen sagen, sie wissen noch nicht, wen sie wählen werden. Eine Klerikerorganisation in Ghom sprach sich am Samstag für Velayati aus.
Erstaunlich ist, dass im Lager der Khamenei nahestehenden Kandidaten - das sind Jalili, Velayati, Ghalibaf sowie der chancenlose Gholam-Ali Haddad-Adel, Exparlamentspräsident und Schwiegervater von Khameneis Sohn Mojtaba – sich noch keiner zugunsten eines stärkeren zurückgezogen hat. Velayati, Ghalibaf und Haddad-Adel hatten ja sogar eine Koalition gebildet.
Dennoch war der Ton zwischen Velayati und Ghalibaf bei der TV-Konfrontation scharf - so sehr, dass der Kandidat Mohsen Rezaei, Sekretär des Schlichtungsrates, sie ironisch auf ihre Allianz hinwies. Vielleicht soll der Verbleib aller ja den Wahlen mehr Legitimität verleihen. Khameneis Unterstützung wurde eigentlich für Jalili erwartet, offen dürfte sie nun aber nicht kommen. Auch der scheidende Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad, dessen Kandidat Esfandiar Rahim-Mashaei nicht antreten durfte, dürfte nun auf Jalili setzen - und umgekehrt Jalili auf die Ahmadi-Nejad-Wähler.
Gespann Rohani/Aref
Im Lager der Reformer wird für möglich gehalten, dass sich der - zur Irritation vieler - ebenfalls von den Wahlen ausgeschlossene Expräsident Ali Akbar Hashemi Rafsanjani im letzten Moment für Rohani aussprechen könnte: spät deshalb, um der Gegenseite, die Rafsanjani sehr polemisch angreift, keine Möglichkeit für eine Gegenkampagne zu geben.
Allerdings gibt es im Lager der Reformer Unstimmigkeiten zwischen Expräsident Mohammed Khatami und seinem früheren Ersten Vizepräsidenten Mohammed Reza Aref, von dem es heißt, dass er als Vizepräsident für Rohani zur Verfügung stehen würde. Offenbar war Khatami gegen die Kandidatur Arefs, weil dieser Rohani Stimmen wegnimmt. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 10.6.2013)