Mittersill - Der oberösterreichische Nationalpark Kalkalpen besteht größtenteils aus Wäldern, die sich selbst überlassen sind und zur Wildnis werden sollen. In den Wald eingebettet sind jedoch bewirtschaftete Wiesen und Almen. Auf ihnen wächst "eine betörende Artenvielfalt" an seltenen Orchideen, Gräsern und Kräutern, die verschwinden würden, wenn die Flächen nicht mehr gemäht oder beweidet werden, erklärte Susanne Aigner vom eb&p Umweltbüro in Klagenfurt anlässlich des "5. Symposiums zur Forschung in Schutzgebieten" in Mittersill.

Aigner hat mit ihren Kollegen die Wiesen des Nationalparks untersucht, um festzustellen, wie viele verschiedene Pflanzenarten auf ihnen wachsen und ob sie besonders schützenswerte Pflanzen beherbergen. Sie fanden über 800 verschiedene Arten, das sind knapp ein Drittel der überhaupt in Österreich vorkommenden Pflanzen. Viele davon sind in Oberösterreich gefährdet oder laut Naturschutzgesetz "vollkommen geschützt".

Wenn Brachen verarmen

Manche der Wiesen werden selten, aber regelmäßig gemäht, andere sind Almen und Weiden, auf denen Rinder, Pferde und Ziegen grasen, und manche liegen seit einiger Zeit brach. Bei einigen der Brachen sei die Artenvielfalt schon deutlich zurückgegangen, seitdem die Fläche nicht mehr genutzt wird. "Vor allem nährstoffreiche, feuchte Brachen verarmen sofort", erklärte Aigner.

Hohe Stauden mit großen Blättern wie die Bach-Pestwurz würden rasch überhandnehmen und den Unterwuchs beschatten. Die zarten Kräuter und Orchideen am Boden bekommen nicht mehr genug Licht und gehen zurück, sagte sie. Binnen weniger Jahre würde so die Artenvielfalt abnehmen.

Beispiel "Jagdhauswiese Ebenforst"

Auf der "Jagdhauswiese Ebenforst" konnte man 1995, als sie noch regelmäßig gemäht wurde, 102 verschiedene Pflanzenarten finden, darunter mit dem Ostalpen-Enzian und dem Rundblättrigen Steinbrech zwei vollkommen geschützte Pflanzen, sowie zwei teilweise geschützte Eisenhut-Arten. Als Aigner die mittlerweile brachliegende Wiese mit ihren Kollegen 2010 untersuchte, gab es hier nur mehr 20 Pflanzenarten, keine davon war besonders schützenswert. "Heute dominieren Bach-Pestwurz und Brennnesseln die Fläche", berichteten sie.

Die Experten haben nun für jede Wiesenfläche Maßnahmen vorgeschlagen, wie die Artenvielfalt möglichst hoch gehalten werden kann. "Der Vorteil in diesem Gebiet ist, dass die Bewirtschaftung nicht auf Ertrag optimiert werden muss, sondern bestmöglich dem Naturschutz dienen kann", so Aigner. So wäre für die Bauern der beste Zeitpunkt, eine Futterwiese zu mähen, kurz vor der Grasblüte. Aus naturschutzfachlicher Sicht sei dies noch zu früh, denn die Pflanzen konnten so noch nicht aussamen. Im Nationalpark würde hingegen zum ökologisch besten Zeitpunkt gemäht, also wenn sogar die Orchideen Zeit hatten, Samen zu bilden, um ihren Fortbestand zu sichern.

Wildnis vs. Schätze

Doch auch die Nationalparkbetreiber sind in einer Zwickmühle. Einerseits sollen sie eine Wildnis schaffen, in der Forst- und Landwirtschaft nichts verloren haben, andererseits gingen so voraussichtlich Flächen verloren, die äußerst wertvoll sind. Aktuell würde man verhandeln, wie man einige der wertvollen, brachliegenden Schätze wieder nutzbar machen kann, und trotzdem die Wildnis so wenig wie möglich stört, so Aigner.

Symposium in Mittersill

Das "5. Symposium zur Forschung in Schutzgebieten" findet vom 10. bis 12. Juni in Mittersill statt. 45 Wissenschafter aus 20 Nationen werden laut Veranstalter, dem Nationalpark Hohe Tauern, zu Biodiversität und Artenschutz, Ökologie und Funktion von Fließgewässern, Auswirkungen des Klimawandels und über Langzeitforschung diskutieren.

Parallel dazu organisiert die "Schweizerisch-Österreichische Allianz für Gebirgsforschung" am selben Ort die "Gebirgstage 2013", bei der die wissenschaftliche Kooperation zwischen Forschern der beiden Länder auf dem Gebiet der Alpenforschung gestärkt werden soll. (APA, 10.6.2013)