Mittersill - Schutzgebiete wie Nationalparks sollen ihre Ökosysteme nicht nur schützen, sondern auch genau dokumentieren und inventarisieren, um Veränderungen feststellen zu können. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt haben nun vier Nationalparks unter der Federführung des Schweizers Ruedi Haller eine neue Methode für das Langzeitmonitoring in Schutzgebieten entwickelt. Sie verwenden mehrere Generationen von Luftbildern und vergleichen sie mithilfe von Computermodellen. Die Methode stellte Haller beim fünften Nationalpark-Forschungssymposium in Mittersill vor.

Signifikante Veränderungen

Die ersten Ergebnisse räumen mit einer weitverbreiteten Meinung auf: Wenn in einem Schutzgebiet die Natur sich selbst überlassen ist, wird der Status quo an Ökosystemen, Pflanzen- und Tierarten erhalten. "Wir waren überrascht, wie viel sich verändert, wenn der Mensch die Natur sich selbst überlässt", sagte Haller im Gespräch. Haller arbeitet im Schweizerischen Nationalpark, wo Luftbilder aus den Jahren 1946 und 2000 mit der neuen Methode verglichen wurden. "Rund 70 bis 80 Prozent der Flächen haben sich in dieser Zeit verändert", sagte Haller.

Elementare Ereignisse wie Bergstürze oder Lawinen sind ebenso darunter wie langsame Veränderungen beim Waldbestand oder bei Wiesen. So hat im Schweizerischen Nationalpark bis in die 1950er Jahre der Wald mehr Fläche gewonnen. Dann sind die Populationen von Rothirschen und Gämsen stark gewachsen, die Ausbreitung des Waldes wurde durch die weidenden Tiere wieder gebremst, erzählt Haller.

Veränderter Bachverlauf

Ähnliche Erfahrungen hat man auch im Nationalpark Hohe Tauern gemacht, der gemeinsam mit dem Schweizerischen Nationalpark, dem Nationalpark Berchtesgaden und dem Gesäuse das Projekt entwickelte. Auf einem relativ kleinen Testgebiet im Bereich der Steineralm im Tiroler Anteil des Schutzgebiets gab es in nur elf Jahren zwischen 1998 und 2009 auf insgesamt 219 Teilflächen signifikante Änderungen, berichtete Florian Jurgeit vom Nationalpark Hohe Tauern Tirol. "Wir haben nicht damit gerechnet, dass sich in relativ kurzer Zeit so viel tut", sagte Jurgeit.

Auf den Luftbildern sieht man beispielsweise deutlich, dass ein in Mäandern verlaufender Bach seinen Verlauf verändert hat. Dort wo früher ein Seitenarm war, ist heute der Hauptarm. Der frühere Hauptarm wurde zum Seitenarm. Für die vorkommenden Tier- und Pflanzengemeinschaften können solche natürliche Änderungen weitreichende Folgen haben.

In so großen Schutzgebieten wie dem Nationalpark Hohe Tauern mit mehr als 1.800 Quadratkilometern könnte die Luftbildkartierung für charakteristische Lebensräume und Ökosysteme sinnvoll sein, um deren Veränderungen langfristig zu beobachten. Die Methode der Luftbildinterpretation ersetzt die Feldarbeit aber nicht. "Wir können feststellen, dass sich etwas geändert hat", sagte Haller. Zur Verifikation der Interpretation am Computer müsse man aber auch weiterhin vor Ort sein. (APA, 15.6.2013)