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Unternehmen werden immer effizienter: Der Preis für die rationale Arbeitsweise ist laut Förster und Kreuz Austauschbarkeit der Produkte, der Arbeit. Und damit der Arbeitenden.

Foto: EPA/Young

Wenn morgen ein Ingenieur im polnischen Szczecin dieselbe gute Arbeit machen kann, wie heute der Ingenieur in Stuttgart oder Wien, jener in Szczecin aber nur ein Drittel des Jahresgehalts verlangt, dann bekommt er den Job. Wenn übermorgen in Bombay ein Ingenieur für denselben Job ein Fünftel des Szczeciner Gehalts verlangt, dann wird die Arbeit nach Bombay wandern. Wenn dann ein Computerprogramm entwickelt wird, das dem Ingenieur zwei Drittel der Arbeit abnimmt, wird auch in Indien Manpower gespart.

Auch wer gute Arbeit leistet, pünktlich im Büro auftaucht, fleißig und ordentlich seinen Job erledigt, hat heute das Nachsehen, beschreiben die Unternehmensberater Anja Förster und Peter Kreuz in ihrem jüngst veröffentlichten Buch "Hört auf zu arbeiten!" die gnadenlose Realität. Die beiden müssen wissen, wovon sie sprechen, denn Förster hat ihr Handwerk bei der renommierten Beraterfirma Accenture erlernt. Kreuz war Assistenzprofessor für Betriebswirtschaft in Wien.

Steigender Effizienzdruck

Dass die Zeiten, wo die Fürsorge für die Mitarbeiter großer Firmengründer wie Robert Bosch, Adam Opel oder Werner von Siemens Teil der Arbeitswelt waren, vorbei sind, ist keine Neuigkeit. "Sei ein gutes Zahnrad im Getriebe der Fabrik, dann sorgt die Fabrik auch für dich": Das galt bis in die späten 1970er Jahre hinein. Heute sieht die Welt ganz anders aus: Seit in den 1980er Jahren der Shareholder Value in die Köpfe der Manager einzog, fühlen sich Unternehmen nicht mehr in erster Linie den Gründern, Kunden und Mitarbeitern verpflichtet. Die Aktionäre mit ihrer permanenten Verkaufsdrohung durch den Börsenhandel sind es, die hier mittlerweile ein gewichtiges Wörtchen mitreden. Sie wollen Rendite. Der Effizienzdruck in den Unternehmen steigt.

Die Folgen laut Förster und Kreuz: Keiner ist mehr sicher, dass er oder sie bei der nächsten Restrukturierung nicht seinen Arbeitsplatz verliert. Der Wunsch, "endlich mal irgendwo anzukommen, endgültig dazuzugehören und echte, wohlverdiente, faire Arbeitsplatzsicherheit" zu haben, wird heute nicht mehr erfüllt. Der alte soziale Vertrag, wonach jeder Arbeitende auch ein Recht auf ein bürgerliches Auskommen hat, gilt nicht mehr. Die Schuldfrage sei nicht zu beantworten: "Es sind weder die Mitarbeiter noch die Chefs, die versagen. Es ist das Versprechen, das nicht mehr zu halten ist."

Austauschbarkeit

Soweit, so klar: Doch was  folgt daraus? Konsequenzen gibt es - das wissen auch Förster und Kreuz - für Mitarbeiter, aber auch für Unternehmen. Moderne Menschen sind dauerhaft überfordert: "Die Aufgaben verändern sich ständig, sodass man keine Zeit hat, sich hineinzuarbeiten. Schon gar nicht lohnt es sich, eigene Gedanken zu investieren und neue Ideen, neue Arbeitsmethoden zu entwickeln." Kritisiert wird sowohl das klassische Management, das mehr verwalte als gestalte, als auch das Bildungssystem, das für ein vergangenes Fabrikszeitalter ausbilde. Schlecht nicht nur für die Arbeitgeber, denn Jobs würden pflichtbewusst, aber ohne Kreativität verrichtet. Damit würden Unternehmen zwar immer effizienter, aber kaum innovativer. Der Preis für eine rationale Arbeitsweise sei Austauschbarkeit der Produkte, der Arbeit. Und damit der Arbeitenden.

Und was nun? So schlüssig die Analyse des Status quo, so vage die Ideen zum Gegensteuern. Die Autoren wollen dazu anstiften, das zu tun, was wirklich zählt: "Erst wenn wir wieder lieben, was wir tun, und aus Überzeugung arbeiten, erst wenn wir nicht mehr auf Kosten anderer Erfolg haben, werden wir das tun, was wirklich zählt", meinen Förster und Kreuz. Wie das gehen soll? Das System von innen verändern und sich selbst gleich dazu, raten die beiden. Das Rezept: Weniger Routinearbeit durch richtige Prioritäten, mehr von dem, was einen wirklich bewegt und dabei auf die Bedeutung für andere achten. Ob das reicht, um einem strukturellen Problem zu begegnen, darf allerdings bezweifelt werden. (rb, derStandard.at, 11.6.2013)