Wien - Wenn eine Todes-Metal-Combo ein Album The Horror of It All nennt, lächelt man milde. Denn das ist bekanntlich bloße Koketterie von großen Kindern, die oft so schmal sind, dass der Tätowierer das Wort "Mutti" einmal abteilen muss, wenn er es ihnen zusammen mit einem Totenkopf in die Brust sticht. Anders bei CeDell Davis: Wenn der sich nur kurz räuspert, sich im Rollstuhl zurechtrückt und in einem seiner schattseitigen Blues-Gstanzln versinkt, bekommt man schon Gänsehaut.
The Horror of It All hieß eines seiner Alben aus den 1990er-Jahren. Damals erlebte der 1927 in Arkansas geborene Bluessänger und Gitarrist einen späten Karriereschub. Gemeinsam mit anderen Blues-Rentnern wie den mittlerweile verstorbenen Junior Kimbrough oder R.L. Burnside entdeckte das US-Label Fat Possum fast vergessene Blues-Künstler neu. Begleitet wurde deren Revival von einschlägigen Fans und Bands wie der Jon Spencer Blues Explosion oder The White Stripes; in Kimbroughs Club hingen zudem Typen wie Keith Richards, Iggy Pop oder U2 ab.
Davis blieb selbst in dieser Zeit ein Außenseiter. Als Kind an Polio erkrankt, spielte er wegen dieses Handicaps mit einem Messer Slide- Gitarre - was seinen Songs einen gespenstischen Sound verlieh. In den 1950ern wurde er während eine Polizeirazzia in einem Club vom flüchtenden Publikum niedergetrampelt. Seit damals sitzt Davis im Rollstuhl.
Aber nicht einmal das hält ihn davon ab, nun, mit fast 86 Jahren, noch einmal auf Europatour zu gehen. Heute, Dienstag, tritt Davis mit der ihn seit einigen Jahren begleitenden Band Brethren im Chelsea auf. Trotz einer knapp 70 Jahre dauernden Karriere hat Davis bloß vier Alben aufgenommen. Ein paar der schönsten Schauergeschichten daraus stehen heute auf der Setlist. (Karl Fluch, DER STANDARD, 11.6.2013)
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