Die Unterstützung durch die Europäische Zentralbank könne wie eine Droge wirken, sagt Bundesbank-Chef Jens Weidmann. Die EZB-Politik wird nun vom deutschen Verfassungsgericht geprüft. Der Vorwurf: Risiken und Abhängigkeit seien zu hoch.
Frankfurt/Karlsruhe - Was darf die Europäische Zentralbank (EZB) und was nicht? Diese Frage wurde seit der Ankündigung des Anleihenkaufprogramms durch EZB-Chef Mario Draghi oft gestellt. Auch von der Deutschen Bundesbank, die seit Jahren vor Gefahren des EZB-Krisenkurses warnt. Jetzt befasst sich das Bundesverfassungsgericht damit. Die zentrale Frage: Verstößt der Krisenkurs der EZB gegen europäisches Recht?
Die Ankündigung des Anleihenkaufprogramms hat die Märkte beruhigte. Zum Einsatz ist das OMT-Programm ("Outright Monetary Transactions") noch nicht gekommen, Anleihen wurden bisher nicht gekauft. Das Volumen des OMT ist theoretisch unbegrenzt. Ein EZB-Gutachten für die Karlsruher Verhandlung beziffert zum Stichtag 7. Dezember 2012 den Bestand von Anleihen, die über OMT-Geschäfte erworben werden könnten, aber auf 524,1 Mrd. Euro. Genannt werden ein- bis dreijährige Bonds von Irland, Italien, Spanien und Portugal.
Aus Sicht der Bundesbank finanziert die EZB über die Anleihenkäufe letztlich Staatsschulden mit der Notenpresse. In der Krise sei die EZB zu nah an die Politik gerückt und gefährde die Unabhängigkeit der Geldpolitik - so der Vorwurf. Je mehr Staatsanleihen die EZB in ihre Bilanz nimmt, umso stärker macht sie sich vom jeweiligen Staat abhängig.
Beim OMT-Programm hat die Bundesbank Zweifel, dass die Bedingungen im Ernstfall eingehalten werden. Eher werde nachverhandelt, als einem Staat, der sich nicht an Absprachen halte, den Geldhahn zuzudrehen. Letztlich verließen sich die Regierungen auf die Notenbank, statt Reformen voranzutreiben. Der Krisenkurs könne "süchtig machen wie eine Droge", warnte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann.
Umkehr nur schwer möglich
Die Bundesbank warnt zudem vor einem Präzedenzfall: "Befindet sich die Geldpolitik erst einmal auf einem derartigen abschüssigen Kurs, ist eine Umkehr nur schwer und unter großen Kosten möglich." Die Kosten müssten am Ende die Steuerzahler tragen.
Die EZB schafft also Fakten über Milliardenrisiken, ohne dass demokratisch gewählte Parlamente eingebunden wurden. An diesem Punkt könnte deutsches Recht verletzt sein, weil die Verlustrisiken von Anleihenkäufen die Budgethoheit des Bundestages aushebeln könnten. Der Bundesbank könnte es also untersagt werden, sich an für verfassungswidrig befundenen Aktionen zu beteiligen.
Die EZB hat das deutsche Bundesverfassungsgericht vor einem Urteil gegen ihre Anti-Krisenpolitik gewarnt. EZB-Direktor Jörg Asmussen rief die Richter in der Bild-Zeitung dazu auf, die Folgen ihrer Entscheidung zu bedenken. "Wenn das Aufkauf-Programm zurückgenommen werden müsste, hätte das erhebliche Konsequenzen", betonte Asmussen. Die EZB habe so handeln müssen, um den Zerfall der Währungsunion zu verhindern. Asmussen wird als Sachverständiger bei der Verhandlung am Dienstag und Mittwoch die Politik der EZB erklären.
Bereits im September befasste sich Deutschlands höchstes Gericht mit der Rettungspolitik: In Karlsruhe lagen Eilanträge gegen Bundestagsbeschlüsse vor. Es ging um den dauerhaften Rettungsschirm ESM und die Einführung europäischer Schuldenbremsen per Fiskalpakt. Das Gericht machte den Weg für den deutschen Beitrag zum ESM frei, wenn auch unter Bedingungen: Das deutsche Haftungsrisiko dürfe nicht automatisch über die ausgehandelten 190 Mrd. Euro steigen, bei jeder Änderung müsse der Bundestag gefragt werden. (dpa, DER STANDARD, 11.6.2013)