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Ausgetrickst: Hunde sind sehr schlau und durchschauen sehr schnell, für welches Verhalten sie belohnt werden. Herrchen und Frauchen verstehen hingegen manchmal nicht, dass jede Form von Aufmerksamkeit gefällt.

Foto: AP/Jens Meyer

Mike ist ein umgänglicher Schäfermischling und verträgt sich gut mit Mensch und Tier. Nur an der Leine wird er zum lautstarken Problem, wenn man anderen Hunden begegnet. Dann fängt er an zu fiepen, zu kläffen, zu bellen und lässt sich durch nichts beruhigen. 

Obwohl Mike sonst für sein Alter - er ist gerade ein Jahr alt geworden - schon sehr brav ist, verliert er die Nerven, wenn Artgenossen auftauchen. Viele Hunde gelten dann rasch als aggressiv. Die Ursache kann aber auch ganz etwas anderes sein. Bellen ist in erster Linie Ausdruck von Aufregung, gleichgültig ob die Aufregung aus der Angst entsteht oder aus Freude oder Frustration. 

Hundesprache verstehen

Angst ist es, wenn der Hund im Umgang mit fremden Hunden nicht ganz sicher ist, an der Leine nur noch eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten hat und sein Mensch am anderen Ende der Leine nicht auf seine Körpersprache reagiert. Das könnte er zum Beispiel, indem er mehr Abstand hält, wenn er sieht, dass sein Hund stark beschwichtigt. Ein Problem kann auch entstehen, wenn der entgegenkommende Hund die Situation nicht entschärfen kann: Der hängt nämlich auch an der Leine fest und hat dasselbe Problem. 

Der schmale Grat zwischen Freude und Frust

Häufig bellt der Hund auch einfach vor freudiger Aufregung, wie Mike das macht. "Huch, ein Artgenosse! Hallo, hier, hier bin ich, lass uns doch spielen!" oder so ähnlich würde der Text wohl lauten. Kann man dann nicht hin zum anderen Hund, kann aus dem Freudengeschrei schnell frustriertes Gemecker werden.

Oder aber das Freudengeschrei ist dem Menschen so peinlich, dass er - so wie Mike - möglichst schnell zum anderen Hund hingelassen wurde, damit es nur ja aufhört. Für Mike natürlich die totale Belohnung. Je mehr er bellte und zog, umso schneller durfte er Kontakt mit dem anderen Hund aufnehmen. Kein Wunder, dass es eher immer schlimmer wurde als besser. 

Aufmerksamkeit ist immer Belohnung

Es dauerte übrigens nicht lang, bis Mike auch gelernt hatte, Bellen in anderen Situationen einzusetzen, weil es ihm unweigerlich zumindest Ansprache von seinem Frauerl brachte. "Nun sei doch still!" interpretieren die meisten Hunde nämlich als Lob und Ansporn. Aufmerksamkeit ist nämlich Aufmerksamkeit und bestärkt damit jedenfalls das Verhalten.

Wer einen bellenden Hund an der Leine hat, ist also erstens gut beraten, sich selber genau zu analysieren und ungewollte Belohnungen durch "Ablenkungsleckerlis", Ansprache oder gar Schimpfen zu unterlassen. Zweitens muss man der Ursache auf den Grund gehen, um zu wissen, ob mehr Entfernung zum anderen Hund eine Erleichterung ist (zum Beispiel bei Angst) oder eine Verschärfung (bei freudiger Aufregung). Und schließlich sollte jeder Hund üben, dass ruhiges Verhalten der wirkliche Weg zum Erfolg ist. Das fordert allerdings beide: Hund und Mensch. (Brigid Weinzinger, derStandard.at, 8.7.2013)