Brüssel - Zu den in Gefolge des Reaktorunfalls von Fukushima in Europa durchgeführten "Stresstests" von Atomkraftwerken wird es keine Fortsetzung geben. Dies machte der Leiter der slowenischen Atomschutzbehörde, Andrej Stritar, am Dienstag bei einer Konferenz der Europäischen Nuklearsicherheits-Regulatorengruppe (ENSREG) in Brüssel klar.

Die gemeinsame Position der Regulatorengruppe laute, dass es künftig sogenannte "Peer Reviews" - Überprüfungen von europäischen Experten - , aber keine "Stresstests" mehr geben sollte, sagte der ENSREG-Vorsitzende, Gerald Hennenhöfer. Die Aussagen kommen wenige Tage vor einem erwarteten Vorschlag der EU-Kommission für neue nukleare Sicherheitsstandards in Europa.

Nach einem Bericht der "Stuttgarter Zeitung" (Dienstag-Ausgabe) sieht der Gesetzesvorschlag, den Energiekommissar Günther Oettinger in dieser Woche offiziell präsentieren will, vor, dass eine europaweite Untersuchung alle sechs Jahre stattfindet. Dabei soll nicht immer eine komplette Sicherheitsüberprüfung stattfinden, sondern je ein Teilbereich genauer untersucht werden: So könnte in einer ersten Runde beispielsweise die Standhaftigkeit eines Atomkraftwerks im Falle von Überschwemmungen der Prüfgegenstand sein, in einer zweiten der Schutz im Falle eines Terrorangriffs aus der Luft, schrieb die Zeitung.

Philip Lowe von der Generaldirektion Energie der EU-Kommission sagte, die "Stresstests" seien speziell für Fragen im Zusammenhang mit dem Reaktorunfall von Fukushima entwickelt worden. Die EU-Staaten seien bereit, regelmäßige Überprüfungen vorzunehmen, doch dürften diese nicht in einer "Zwangsjacke" alter Methodologie gepresst sein, sondern an die Zeit angepasst werden. Der Vorschlag der EU-Kommission werde "in den nächsten Tagen, spätestens nächste Woche" kommen.

Neuer Vorschlag bis Jahresende

Ein weiterer Vorschlag der EU-Kommission zur Haftung bei Nuklearunfällen werde bis Jahresende kommen, sagte Lowe. Dabei wären aber noch zahlreiche Fragen zu klären. Die EU-Kommission habe noch nicht entschieden, ob der Vorschlag legislativen Charakter haben werde.

Stritar sagte, die bisherigen "Stresstests" seien eine so große Herausforderung gewesen, dass sie kaum fortgesetzt werden könnten. Die "Peer Reviews" seien auch eine Art von "Stresstests", aber nicht von solch enormem Umfang.

Nicht alle EU-Staaten seien überzeugt davon, dass es zum gegenwärtigen Zeitpunkt neue nukleare Sicherheitsstandards bedürfe, sagte Hennenhöfer. Die gemeinsame Position laute aber, dass Europa ehrgeizige Ziele brauche, die ständig weiter entwickelt werden sollten, und keine fixen Standards.

Gravierende Mängel

Nach den im vergangenen Oktober abgeschlossenen "Stresstests" hat die EU-Kommission gravierende Mängel festgestellt. Den gesamten Sicherheits-Nachrüstungsbedarf für alle Atomkraftwerke in Europa verortete die EU-Behörde in der Größenordnung von 10 Milliarden bis 25 Milliarden Euro.

Die "Stresstests" seien nicht nur "Papierarbeit" gewesen, sondern hätten zu wirklichen Verbesserungen an den Atomanlagen geführt, versicherte Hennenhöfer. (APA, 11.6.2013)