Sein Recht durchzusetzen kann teuer sein. Anwälte, Experten und Oppositionsparteien kritisieren seit längerem die hohen Verfahrenskosten - Gerichtsgebühren würden inzwischen zur Gefahr für den Rechtsstaat.
Es sind gewaltige Summen, die in großen Prozessen noch vor dem ersten Verhandlungstag an die heimische Justiz fließen. Im derzeit laufenden Rechtsstreit zwischen der Stadt Linz und der Bawag fielen mit Einbringung der Klage etwa bereits mehr als fünf Millionen Euro Gerichtsgebühren an - ginge das Verfahren durch alle Instanzen, könnten es insgesamt mehr als 22 Millionen Euro werden.
Doch es ist weniger das Faktum, dass sich das österreichische Justizsystem größtenteils durch Gebühren finanziert, das Rechtsanwälte, Experten und die Oppositionsparteien seit längerem kritisieren, sondern vor allem die Folge daraus: die stetig wachsenden Kosten, die entstehen, um vor Gericht zu ziehen. "Verfahren sind nicht nur ein hochprofitables Geschäft für die Justiz, die Gebühren gefährden inzwischen den Rechtsstaat, weil sich viele Bürger den Zugang zum Recht nicht mehr leisten können", sagt Michael Auer, Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien.
Wie teuer der Gang vor den Kadi tatsächlich ist, hängt natürlich von vielen Faktoren ab: etwa davon, ob es sich um ein zivil- oder strafrechtliches Verfahren handelt, ob Sachverständige oder Dolmetscher eingesetzt werden mussten, wie hoch die Kosten der vorprozessualen Beweissicherung waren und welches Vertretungshonorar vereinbart wurde. Die vollständig unterliegende Partei hat alle durch die Prozessführung verursachten Kosten, die zur Rechtsdurchsetzung notwendig waren, zu ersetzen - den gegnerischen Anwalt muss man aber etwa nur nach einer Tarifordnung bezahlen und nicht für höher vereinbarte Honorare aufkommen.
"Verdeckte Steuer"
Die Gerichtsgebühren sind im Gerichtsgebührengesetz festgelegt und im Rechtsinformationssystem (RIS) des Bundeskanzleramtes für jeden online einsehbar. Sie werden für die "Inanspruchnahme der Tätigkeit der Gerichte, Staatsanwaltschaften und Justizverwaltungsbehörden" erhoben und staffeln sich nach dem Streitwert: Geht es in einem Zivilprozess um bis zu 150 Euro, fallen 21 Euro an, bei bis zu 300 Euro sind dann 41 Euro zu entrichten und so weiter.
Zwischen 280.000 und 350.000 Euro beträgt die Gebühr bereits 6615 Euro, danach werden 1,2 Prozent des Streitwerts zuzüglich 2525 Euro erhoben - Deckelung wie beispielsweise in Deutschland gibt es keine. In zweiter und dritter Instanz - zumeist nur noch reine Aktenverfahren ohne Verhandlung - sind die Pauschalgebühren wie auch die Prozentsätze (von 1,8 und 2,4 Prozent) noch einmal deutlich höher.
Überfinanziert
Kammerpräsident Auer sieht in der Gebühr eine verdeckte Steuer: "Die Justiz kassiert vom Rechtssuchenden ab und saniert damit die maroden Staatskassen." Er bezieht sich dabei auf eine Studie des Europarats, die festgestellt hat, dass die österreichische Justiz ihre Ausgaben zu 110 Prozent über Gerichtsgebühren deckt, sich also nicht nur selbst, sondern überfinanziert - im europäischen Durchschnitt liegt der Kostendeckungsgrad bei 22 Prozent. Wobei in der Studie die Kosten für den Strafvollzug, die das Justizministerium auch aus seinem Budget decken muss, nicht einberechnet wurden.
"Gefängnisse wie auch der Zugang zu Gerichten sind Aufgaben des Staates. Bürger müssen die Möglichkeit bekommen, ihr Recht durchzusetzen, ohne Gefahr zu laufen, in existenzielle Not zu geraten", sagt Heinz Mayer, Dekan des Juridicums der Universität Wien. Er schließt sich der Rechtsanwaltskammer in ihrer Forderung nach reduzierten Gerichtsgebühren und einer Deckelung an. "In den vergangenen fünf Jahren wurde das Gerichtsgebührengesetz mehr als zwanzigmal geändert, und es kam zu massiven Erhöhungen. Es muss zurückgerudert werden", sagt Auer.
Hohe Gebühren in der Justiz haben auch schon mehrfach den Verfassungsgerichtshof (VfGH) beschäftigt: So mussten nach VfGH-Urteilen bereits die Kosten für Aktenkopien verringert werden, und der Ausschluss juristischer Personen von der Verfahrenshilfe wurde für unsachlich erklärt. Mit Ende Juni werden zusätzliche Gebühren für Rechtsmittel im Sicherungsverfahren aufgehoben.
Im Justizministerium sieht man "keinen Grund für eine Systemänderung", also den Umstieg auf eine höhere Finanzierung über Steuergelder - das Teuerste an Verfahren seien die Kosten für Sachverständige und Rechtsanwälte, deren Honorare Vereinbarungssache sind. "Damit sich jeder ein Verfahren leisten kann, gibt es Verfahrenshilfe", sagt der Sprecher von Ministerin Beatrix Karl - Personen mit eingeschränkten finanziellen Mitteln können von Gebühren und sonstigen Verfahrenskosten befreit werden, sofern das Begehren dem Gericht nicht aussichtslos erscheint. Ein Argument, das Mayer nicht gelten lässt: "Diese Hilfe bekommen Personen, die am Existenzminimum leben, Normalverdiener treffen die horrenden Gebühren."
Immerhin eines wird aus dem Ministerium versichert: Erhöhungen soll es keine mehr geben. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 12.6.2013)