Sie erinnern sich bestimmt: Vor einem Jahr war Trainer Franco Foda der Wunschkandidat der Wiener Austria. Doch der Deutsche entschied sich relativ flott für ein Angebot des deutschen Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern. Ein Glücksfall sondergleichen für die Violetten: Peter Stöger, die zweite Wahl, führte den Klub mit einer furiosen Saison zum 24. Meistertitel. Nun ist es wiederum Stöger, der abhandengekommen ist. Und wieder erhält die zweite deutsche Liga, diesmal der 1. FC Köln, den Vorzug.
Aber warum? Warum verzichtet der Wiener auf die historische Chance zur Champions League? Einen guten Grund sehen Sie oben, nämlich das RheinEnergieStadion des 1. FC Köln. Das Stadion wurde 2004 eröffnet und bietet knapp 50.000 Fans Platz. Selbst in der zweiten Liga strömen im Schnitt mehr als 40.000 zu den Spielen gegen Kontrahenten mit weniger klingenden Namen wie Jahn Regensburg.
Während der Zuseherschnitt in der österreichischen Bundesliga 2012/13 auf 6.801 sank, weist Deutschlands zweithöchste Spielklasse 17.239 Zuseher pro Spiel auf. Nicht weniger als neun Vereine haben einen höheren Zuschauerschnitt als Österreichs Publikumsmagnet Nummer eins, Rapid Wien.
Wo Fans, also Markt, da Geld. Während in Österreich nur 20 Millionen Euro aus dem TV-Vertrag an zehn Vereine verteilt werden, ist der Topf für 18 deutsche Zweitligisten 2013/14 mit 112 Millionen gefüllt. In Summe erwirtschaftet die zweite deutsche Liga 385 Millionen Euro, die österreichische Bundesliga rund 155 Millionen. Und davon entfällt ein gutes Drittel auf Red Bull Salzburg. Eine Einnahmequelle, die in Deutschlands zweiter Liga allerdings entfällt: die Europa beziehungsweise Champions League.
Der Etat für Profispieler beträgt in Köln seit dem Abstieg 20 Millionen Euro, in Kaiserslautern sind 10 Millionen budgetiert. Bei der Austria wird der gesamte Personalaufwand, bestehend aus Spielern und Verwaltung, mit 12 Millionen angegeben. Die Zahlen sind in Österreich vergleichsweise hoch, auch hier zieht Red Bull (35 Millionen Euro) aber den Schnitt in die Höhe. Einen derartigen Personalaufwand betreibt kein deutscher Zweitligist.
Großer Unterschied zwischen den beiden Ligen: die Perspektive. Während bei der Austria die sportlichen und finanziellen Möglichkeiten annähernd ausgereizt scheinen - und nur eine Teilnahme an der Champions League kurzfristig Türen aufmachen könnte -, darf ein zweitklassiger Spitzenklub in Deutschland auf den Aufstieg und damit verbundenes Potenzial hoffen.
Steigen Köln und Kaiserslautern in die Bundesliga auf, können sie ihren Personalaufwand aufgrund der Mehreinnahmen durch TV, Merchandise und Ticketeinnahmen wieder von 20 auf 33 beziehungsweise von 10 auf 17 Millionen Euro auffetten. Als beide Vereine zuletzt in der höchsten Spielklasse vertreten waren, fiel ihr Umsatz deutlich höher aus als jener der Austria.
Mehr Fans, mehr Geld, mehr Perspektive - aber ist es auch die spielerische Qualität, die den Ausschlag zugunsten der zweiten deutschen Liga gibt? Nein. Österreichs Spitzenvereine könnten in Normalform auch in der zweiten deutschen Liga oben mitspielen. Einen groben Überblick gibt der durchschnittliche Marktwert der Kaderspieler.
Red Bull Salzburg wäre mit 1,4 Millionen Euro durchschnittlichem Marktwert auch in der zweiten deutschen Liga top vor Hertha BSC. Meister Austria Wien (0,8 Millionen) wäre knapp hinter Kaiserslautern (0,9 Millionen), aber noch vor Köln (0,7 Millionen) und 1860 München (0,6 Millionen) platziert.
Versetzen wir uns zum Abschluss also kurz in den Kopf von Peter Stöger: Wir haben ein Angebot der Austria am Tisch liegen und eines von einem Spitzenklub der zweiten deutschen Liga. Pro Zweitklassigkeit sprechen Stadien, Fans und Gehalt. Vor allem aber die absolut realistische Chance, innerhalb eines Jahres die große Bühne der deutschen Bundesliga zu betreten.
Für einen Verbleib in Wien spricht in erster Linie die mögliche Qualifikation zur Champions League. Dieser Traum kann sich allerdings schnell in Luft auflösen. Ein schwächeres Spiel, ein individueller Fehler ist vielleicht schon zu viel des Schlechten. Die Wahrscheinlichkeit, mit Köln aufzusteigen, scheint höher und weniger dem notwendigen Glück ausgesetzt zu sein, als mit den Veilchen in die Königsklasse einzuziehen.
Unter dem Strich muss man Austria-Vorstand Markus Kraetschmer zitieren: Stögers Wunsch zu wechseln sei demnach "legitim und verständlich". Die Austria kann Angebote von Topklubs der zweiten deutschen Liga an Trainer und Spieler kaum abwehren. In Österreich kann sich lediglich Red Bull Salzburg mit finanziellen Mitteln entgegenstemmen. (Philip Bauer, derStandard.at, 11.6.2013)