Sie können mehrere Zustände gleichzeitig einnehmen, sind abhörsicher, und die in ihnen gespeicherte Information ist über beliebige Distanzen teleportierbar: In der Quantenphysik zeigen Teilchen Eigenschaften, die sie für die Informationsübertragung besonders geeignet machen. Das funktioniert aber nur bei Mikrosystemen. Im makroskopischen Bereich verlieren die Teilchen ihre - wie Albert Einstein sie nannte - "spukhaften" Eigenschaften.

Physikern der Technischen Universität Wien ist es nun gelungen, die Quanteneigenschaften von Atomen, die an Glasfasern gekoppelt sind, lange genug aufrechtzuerhalten, um damit über hunderte Kilometer Informationen zu übertragen. Diese Woche wird die Arbeit im Fachblatt "Physical Review Letters" veröffentlicht.

Quantenphysiker Arno Rauschenbeutel und sein Team haben eine Methode entwickelt, Cäsiumatome an ein Glasfaserkabel zu koppeln. Dabei wird die Faser auf 500 Nanometer verjüngt - die Dicke beträgt so nicht einmal ein Hundertstel eines menschlichen Haares. Das Licht, das sich darin ausbreitet, hat somit eine größere Wellenlänge, als die Glasfaser dick ist. "Die Lichtwellen reichen über die Glasfaser hinaus und bilden ein Feld, in dem die Atome gefangen werden", sagt Rauschenbeutel. Zwei quantenphysikalische Systeme werden so verbunden, "einerseits Licht in Glasfasern, über die man Quanteninformation hervorragend transportieren kann und andererseits Atome, mit denen man die Information sehr gut speichern kann".

Den Physikern ist es schon bisher gelungen, Atome an Glasfasern zu koppeln. Unklar war allerdings, ob über diese Verbindung auch Information für Quantenkommunikation übertragen werden könnte. Denn dafür müssten die Atome ihre quantenmechanischen Eigenschaften behalten - die Physiker sprechen dabei von der Kohärenzzeit. Nur wenn die Quanteninformation in den Atomen ausreichend lange gespeichert bleibt, kann sie über lange Strecken übertragen werden.

Theoretische Vorhersagen deuteten darauf hin, dass es problematisch werden könnte, die Atome genügend lange kohärent zu halten. Denn einerseits beträgt der Abstand, in dem die Atome von der Glasfaser gefangen gehalten werden, nur 200 Nanometer. "So nahe bei einer materiellen Oberfläche ist die Kohärenzzeit von Atomen meines Wissens bisher nicht untersucht worden", sagt Rauschenbeutel. Andererseits vermindern die Lichtfelder, mit denen die Atome an der Faser gefangen werden, die Kohärenzzeit.

Durch einen Trick ist es den Physikern gelungen, die vorhergesagten Störungen einzudämmen. "Zuerst mussten wir das System verstehen", sagt Rauschenbeutel. Bei der genauen Beobachtung entdeckten die Physiker, dass das Atom durch die störenden Einflüsse in eine Art "taumelnde Kreiselbewegung" versetzt wird, durch die es letztlich seine Quanteneigenschaften verliert. "Deshalb legten wir ein zusätzliches Magnetfeld an und konnten damit den Kreisel stabilisieren."

Nahe am Nullpunkt

Zusätzlich musste die Temperatur der Atome möglichst gering gehalten werden. Mittels Laserkühlung brachten die Physiker die Atome auf 30 Millionstelgrad über dem absoluten Temperaturnullpunkt. Für dieses System sei das immer noch eine "relativ hohe Temperatur", meint Rauschenbeutel, die mit etwas Aufwand noch weiter verringert werden könne. Gelingt dies den Physikern, so könnte durch die Kopplung der Atome an die Glasfaser über noch größere Distanzen Informationsübertragung auf Basis der Quantenmechanik erfolgen.

Die Physiker konnten so experimentell ein System realisieren, an dem sie die Kohärenzeigenschaften der Atome messen konnten. "Wir haben gesehen, dass dieses System gut genug ist, um es für Quantenkommunikation rund um die Welt zu verwenden", sagt Rauschenbeutel.

Denn es zeigte sich, dass die Kohärenzzeit der Atome auf einige Millisekunden ausgedehnt werden kann - genügend Zeit, um Lichtsignale fast tausend Kilometer weit zu versenden. Durch Aneinanderfügen solcher Quantenverbindungen könnte so ein weltweites Netzwerk installiert werden, in dem auf Basis der Quanteninformationstechnologie Signale übertragen werden. Die dafür notwendige Technik wollen die Physiker in den kommenden Jahren experimentell realisieren.

Rauschenbeutel geht davon aus, dass es möglich sein wird, die neue Technologie in die bereits bestehenden Glasfasernetzwerke einzufügen. So könnten in Zukunft E-Mails quantenkryptografisch versendet werden oder Quantenzustände über die bestehenden Glasfaserleitungen zwischen Kontinenten teleportiert werden. (Tanja Traxler/DER STANDARD, 12. 6. 2013)