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Alien oder antisemitische Karikatur?

Foto: Reuters/Plunkett

Anthropologie basiert auf Feldforschung. Doch manchmal führen diese Studien auch in entfernte Galaxien: Im Rahmen der 8. Tage der Kultur- und Sozialanthropologie Wien begaben sich mehrere Wissenschafter ins Universum von Star Trek.

So zeigte der Ethnologe Georg Schifko, dass das Design des Science-Fiction-Klassikers nicht der reinen Fantasie entsprang, sondern auch von anderen Kulturen inspiriert wurde – etwa durch Maori-Tätowierungen oder kykladische Marmor-Idole. Letztere seien vermutlich in Hinblick auf das US-Fernsehpublikum um ihre ausgeprägten Geschlechtsmerkmale bereinigt worden.

Auch insgesamt stand das Spannungsverhältnis von Star Trek und der Kultur der USA im Mittelpunkt: "Star Trek scheint ein Spiegel der amerikanischen Gesellschaft zu sein", attestierte die Anthropologin Evelyne Puchegger-Ebner. Zu einem ähnlichen Schluss kam die Religionswissenschafterin Gabriele Rath-Schneider in ihrem Vortrag über Gottesvorstellungen in Star Trek.

Die von Serienerfinder Gene Roddenberry konzipierten Abenteuer um Kirk und Picard sind laut Rath-Schneider humanistisch ori­entierte Gegenentwürfe zur pessimistischen Grundstimmung des Kalten Krieges: Die Menschheit agiert vereint und den Idealen von Vernunft und Wissenschaft verpflichtet. Hinter dem Prinzip "Gott" verbergen sich hier nur Computer oder außerirdische Wesen.

Nach Roddenberrys Tod 1991 schwächte sich diese Tendenz ab. "Nun waren Wissenschaft und Religion in Star Trek kein Widerspruch mehr," erklärte Rath-Schneider. So beeinflusste die religiöse Polarisierung der US-Gesellschaft in den 1990er-Jahren auch die erste Serie der Post-Roddenberry-Ära, Deep Space Nine: Das Verhältnis von Freund und Feind sei nun eindeutig benannt und Spiritualität auch menschlichen Figuren nicht mehr fremd gewesen.

Über die realen Vorbilder der Feinde referierte Christian Wagn­sonner, Mitarbeiter am Institut für Religion und Frieden des Bundesheers: Das Bild der aggressiven Klingonen entspreche dem amerikanischen Klischee von der So­wjetunion in den 1960ern und das konspirativ agierende Romulanische Imperium erinnere an die ­damaligen Vorstellungen von der Volksrepublik China. Die undurchsichtige wie ein einziger Bioorganismus agierende Macht der Borg, die Ende der Achtzigerjahre auftritt, stehe dagegen für die Auflösung klarer Feindbilder im amerikanischen Kollektivbewusstsein und die Angst vor nicht greifbaren Bedrohungen.

Die Kommunikationswissenschafterin Karin Lederer versuchte einen weiteren Star Trek-Stamm unter anderen Aspekten zu dechiffrieren. Sie widmete sich dem Händlervolk der Ferengi und deren ihrer Meinung nach problematischer Inszenierung.

Die Darstellung der Ferengi als gierige und durchtriebene Spezies verweise auf zahlreiche antisemitische Stereo­type – bis hin zur optischen Gestaltung dieser hässlichen Außerirdischen: Glatze, große Ohren und Knollennasen waren typische Merkmale antisemitischer Karikaturen im 19. Jahrhundert. Lederer: "Bei den Ferengi zeigt sich, dass eher die Kritiker bestätigt werden, die Star Trek schon früher stereotypische Darstellungsweisen vorgeworfen haben." Ihre Meinung teilten die anwesenden Forscher vor allem in einer Hinsicht: Man sollte bei Star Trek genauer hinsehen. (Johannes Lau /DER STANDARD, 12.6.2013)