Wien - Das Umfeld ist für Börsen im Moment nicht einfach. In Europa lassen große Börsengänge seit Jahren auf sich warten. Auch die Handelsumsätze sind kein sicherer und stabiler Einkommenssektor mehr. Die Börsen kommen durch alternative Handelsplattformen wie Chi-X oder Bats zusätzlich unter Druck, an denen für geringere Gebühren Wertpapiere ge- und verkauft werden können.
Diesem Umfeld gilt es zu trotzen. Das passiert einerseits durch Fusionen und Neuordnungen. So haben vor wenigen Tagen die Aktionäre der Übernahme der New Yorker Börse Nyse-Euronext durch die US-Derivatebörse Intercontinental Exchange (ICE) zugestimmt. Die Wettbewerbshüter müssen den rund acht Milliarden Dollar schweren Deal noch absegnen. Gelingt die Übernahme, will ICE die europäische Mehrländerbörse Euronext (betreibt die Börsen in Paris, Amsterdam, Brüssel und Lissabon und gehört seit 2007 zur Nyse) aber los werden. Das kann durch einen Verkauf oder einen Börsengang passieren.
ESpeed
Der US-Börsenbetreiber Nasdaq ist zuletzt mit der Übernahme der auf Bonds spezialisierten Handelsplattform eSpeed in den Handel mit Staatsanleihen eingestiegen. 750 Millionen Dollar hat die Nasdaq dafür lockergemacht.
Die Wiener Börse ist mit ihren Ostbeteiligungen nun auch für die Börse in Warschau attraktiv geworden. Über Kooperationen wird bereits gesprochen. Dass die Wiener Börse von Warschau übernommen wird, an der mehrere heimische Unternehmen bereits ein Doppellisting haben, gilt als denkbares Szenario in der Finanzbranche.
"Börsen brauchen Aufmerksamkeit, um die Liquidität zu steigern", sagt Rechtsanwalt Thomas Talos von der Kanzlei Brandl & Talos. Das passiert derzeit auch mit neuen Segmenten und Indizes. In Wien wurde kürzlich der "ATX Global Players" vorgestellt, der Unternehmen zusammenfasst, die mindestens 20 Prozent ihres Umsatzes außerhalb Europas machen. Damit würden Analysten wieder auf die Unternehmen aufmerksam gemacht.
Neues Segment
In London soll das neue "High Growth Segment" schnell wachsende Unternehmen anlocken. Vor allem Technikfirmen sollen damit wieder nach London geholt werden. In dem Bereich hat die City zuletzt gegenüber der Wall Street verloren. Das neue Segment soll den Zugang erleichtern. Lediglich zehn Prozent (statt 25 Prozent in anderen Indizes) müssen im Streubesitz sein und das Unternehmen in den drei Jahren vor dem IPO ein Umsatzwachstum von 20 Prozent erreicht haben.
"Verändern muss sich aber auch das politische Umfeld", sagt Talos. Denn die Stimmung in Europa richte sich derzeit gegen den Kapitalmarkt. Aber auch der Kapitalmarkt müsse laut Talos Vertrauen wieder herstellen. Denn die großen und gehypten Börsengänge von Facebook, Groupon oder LinkedIn hätten Anleger letztlich auch enttäuscht. (Bettina Pfluger, DER STANDARD, 12.6.2013)