Weg mit den zentralistischen Hürden, fordert Heidi Schrodt.

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Auf dem steinigen Weg einer Bildungsreform, die durch ideologisch motivierte Blockaden und sattsam bekannte Grabenkämpfe behindert wird, ist die Eingung auf eine neue Pädagogenbildung zweifellos ein Lichtblick.

Im parallel dazu gelaufenen Verhandlungsmarathon zwischen Regierung und Beamtengewerkschaft zum neuen Lehrerdienstrecht ist man sich dagegen trotz sagenhafter 27 Verhandlungsrunden um keinen Zentimeter nähergekommen.

Auch als Kritikerin von so manchen Aktionen und vor allem ideologischen Grundhaltungen des konservativen Teils der Lehrergewerkschaft muss ich allerdings zugestehen, dass deren Forderungen in einigen Punkten durchaus gerechtfertigt sind. In erster Linie trifft das auf das fehlende sogenannte Unterstützungspersonal an Schulen zu. Wir liegen hier im internationalen Vergleich im hintersten Feld, und die Gewerkschaftsforderungen von 13.000 zusätzlichen Kräften orientieren sich ohnehin nur am internationalen Durchschnitt. Alle Bildungsstudien der letzten Jahre sprechen jedenfalls eine deutliche Sprache und machen klar, dass hier Bewegung entstehen muss, wenn wir international mithalten wollen.

Eine Bewegung der unerwarteten Art ist hingegen vor einigen Tagen durch das Ausscheren der ÖVP aus der gemeinsamen Regierungslinie entstanden. Ihr Entwurf schlägt ein Unterstützungspersonal von 2000 zusätzlichen Kräften vor, eine unterschiedliche Bezahlung der Lehrer/innen je nach Schultyp, in dem sie unterrichten, sowie schließlich eine Regelung der Präsenzzeit an den Schulen selbst.

Die ersten zwei Vorschläge sind in Wirklichkeit ein Affront. Mit einem Unterstützungspersonal von 2000 Personen im administrativen wie auch im pädagogisch-psychologischen Bereich (Förderlehrer/innen, Legasthenieexperten, Zweitsprachenlehrer/innen etc.) kann niemals das Auslangen gefunden werden. Würde man sich Schulen in Ländern ansehen, die ihre Schülerinnen und Schüler um so vieles erfolgreicher fördern als wir, wüsste man, wovon die Rede ist. Die Gewerkschaftsvertrer/innen wissen es - viele von ihnen haben sich internationale Good-Practice- Beispiele angesehen. Nicht nur die skandinavischen Länder sind weitaus besser ausgerüstet als wir, sondern auch etwa Tschechien. Im Europaschnitt kommt auf circa acht Lehrpersonen eine Supportstelle, bei uns ist die Relation 1:20. Umso befremdlicher, dass nun plötzlich 2000 auch als gutes Angebot wahrgenommen wird.

Noch unverständlicher mutet allerdings an, dass laut ÖVP-Vorschlag künftig die Lehrer/innen unterschiedlich entlohnt werden sollen, auch wenn sie eine gleichwertige Ausbildung erhalten. Mit welchen Argumenten lässt sich rechtfertigen, dass eine Lehrperson an höheren Schulen, die über einen Masterabschluss verfügt, besser entlohnt werden sollte als eine Lehrkraft an Volksschulen oder Neuen Mittelschulen, die ebenfalls eine Masterausbildung absolviert hat?

Mindestens ebenso absurd aber wie dieser Vorschlag, in dem das traditionelle hierarchische Denken zum Ausdruck kommt, von dem unser Schulsystem geprägt ist, ist die Reaktion der Gewerkschaft, vornehmlich der Pflichtschullehrergewerkschaft. Wie ist zu verstehen, dass sie denen, die sie vertritt, signalisiert: Auch wenn ihr euch künftig höher qualifiziert, an der Tatsache, dass ihr weniger wert seid, ändert das nichts?

Natürlich spricht nichts dagegen, dass künftig Zusatzfunktionen, Zusatzqualifikationen oder etwa Tätigkeiten im Bereich der Schulentwicklung zusätzlich entlohnt werden sollen, doch von einem gemeinsamen Grundgehalt für alle, die auch eine gleichwertige Ausbildung haben, darf eine Interessenvertretung, die ernst genommen werden will, niemals abgehen. Dazu kommt noch die nicht ganz unwichtige Tatsache, dass die neue Lehrerausbildung, die noch diese Woche im Nationalrat beschlossen wird, von einer solchen Regelung geradezu konterkariert würde. Das geht niemals zusammen.

Der dritte Vorschlag der ÖVP ist dagegen differenzierter zu sehen: Im Grunde macht es nämlich durchaus Sinn, dass an den Schulen selbst entschieden wird, wie lange und in welchen Bereichen pädagogisches Personal zum Einsatz kommen soll. International ist eine solche Praxis durchaus üblich, und ich konnte mich selber an mehreren Schulen in unterschiedlichen europäischen Ländern darüber informieren, wie gut das funktioniert. Es ist jedenfalls mehr als eine Überlegung wert, hier den Schulen mehr Eigenständigkeit einzuräumen. Bewährte Modelle sehen etwa vor, dass (mindestens) zwei Drittel der Kernarbeitszeit an den Schulen verbracht werden.

Einige Bedenken seien dennoch angebracht: Um ein solches Modell auch in Österreich zu implementieren, müsste so schnell wie möglich ein Strategieplan her, der die Umstellung von Schulen auf zeitgemäße Arbeitsplätze für Pädagogen in absehbarer und zumutbarer Zeit gewährleistet. Ich bin mir sicher: Solche Ressourcen vorausgesetzt, würden auch bei uns bald die meisten Lehrer/innen gerne täglich länger in der Schule arbeiten.

Um solche Veränderungen voranzutreiben, bedarf es aber auch endlich der Umsetzung einer großzügig konzipierten Schulautonomie, die diesen Namen auch verdient. Also: Weg mit den tausenden zentralen Regelungen, die uns derzeit die pädagogische Arbeit erschweren. Der Staat sollte für Gesetzgebung und Qualitätskontrolle (Bildungsstandards, zentrale Überprüfungen) zuständig sein, den Rest erledigen die Schulen selber in enger Kooperation mit neu zu schaffenden regionalen Bildungszentren.

Davon sind wir meilenweit entfernt, nicht nur wegen der Macht der Bundesländer, die eine solche Dezentralisierung verhindern, sondern auch wegen der Blockaden in unseren Gehirnen, die durch die jahrhundertelange zentralistische und bürokratische Tradition unserer Schule noch nicht auf solche neuen Freiheiten (und Verantwortlichkeiten!) ausgerichtet sind. Dennoch: In diesem Vorschlag liegt Potenzial, die beiden anderen können bestenfalls als zynisch betrachtet werden. (Heidi Schrodt, DER STANDARD, 12.6.2013)