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Microsoft und Sony verfolgen mit ihren neuen Konsolen sehr unterschiedliche Strategien.

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Der Xbox-One-Controller

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Der DualShock 4

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Sonys und Microsofts neue Spielkonsolen sind das beherrschende Thema der Branchenmesse E3 in Los Angeles. Im Zuge einiger Hands-on-Termine und Präsentationen konnte sich der GameStandard einen Ersteindruck von den Spielen, der Hardware und den neuen Möglichkeiten verschaffen.

Die Erkenntnis: Xbox One (XBO) und PlayStation 4 (PS4) gehen auf Nummer sicher und bringen frischen Wind in den Markt, haben zahlreiche Gemeinsamkeiten und verfolgen sehr unterschiedliche Ziele.

Designfrage

Die PlayStation 4 und die Xbox One sind beide viereckig, in Schwarz gehalten und weisen sowohl matte als auch glänzende Elemente auf. Damit hat es sich aber auch schon mit den optischen Gemeinsamkeiten. Beide Systeme verfolgen ihre eigene Designsprache.

Die Xbox One hat ein schnörkelloses, aber wuchtiges Gehäuse, dessen Details sich auf zahlreiche Lüftungsschlitze und ein weiß-grün leuchtendes Xbox-Logo beschränken. Es erinnert am ehesten an einen Videorekorder und scheint Microsofts Wunsch zu verkörpern, die XBO als dominantes Unterhaltungsgerät im Wohnzimmer erkennbar zu machen.

Die PlayStation 4 ist deutlich schlanker - in etwa so groß wie die zweite Version der PS3 - und erinnert aufgestellt an eine moderne Interpretation des PS2-Designs. Klare Linien durchbrechen die Front, die Anschlüsse sind leicht hineinversetzt. Die Hinterseite ist von gewaltigen Luftauslässen geprägt. Sony spricht im direkten Vergleich der beiden Konsolen eine elegantere und dezentere Designsprache. Schlicht, aber viele Akzente. Japanisch.

Controller

Von den nebensächlichen Oberflächlichkeiten abgesehen verfolgen die Entwickler natürlich auch unterschiedliche Ziele bei den Steuerungsgeräten.

Der XBO-Controller ist eine optimierte Weiterentwicklung des Xbox-360-Gamepads, die eine Spur kleiner ist und sehr angenehm in der Hand liegt. Die Analog-Sticks sind leicht geschrumpft und bieten dank eines strukturierten Gummirands besseren Halt. Die Aktionstasten und Trigger lassen sich gut bedienen, der spiegelglatte Kunststoff neigt dazu, etwas schmierig zu werden, was vor allem bei längeren Spielsessions unangenehm auffallen könnte. Die Abzüge verfügen über Vibrationsmotoren. Bei den auf der E3 gezeigten Spielen wurde dieses Feature noch spärlich genutzt, allerdings ist es in Aktion eine feine Detailerweiterung. Tatsächliche Force-Feedback-Motoren, die den Widerstand erhöhen können, wären gewiss beeindruckender.

Der DualShock 4 ist ein gravierenderer Evolutionssprung. Die Haltegriffe wurden im Vergleich zum Vorgänger ergonomischer geformt und liegen nun komfortabler in der Hand. Um das klickbare Multi-Touchpad bedienen zu können, wurden die Analog-Sticks wieder in die Mitte gesetzt. Ein Kompromiss, der vor allem von Spielern mit größeren Händen Beweglichkeit abverlangt. Die Trigger sind nun wie beim Xbox-Gamepad nach außen gekrümmt und sind bequem zu erreichen. Die tellerartigen Analog-Sticks bieten einen guten Halt. Die Light-Bar sieht schick aus und dient der Nutzeridentifizierung. Gleichzeitig lassen sich damit im Zusammenspiel einige Funktionen von PlayStation Move umsetzen.

Auf der E3 leider kaum in Spielen zu sehen waren die steuerungstechnischen Besonderheiten der beiden Systeme. Das neue Kinect erfasst Spieler nun präziser, abseits von Tech-Demos wurde dies jedoch so gut wie nicht unter Beweis gestellt. Gleiches gilt für das Touchpad und die Lightbar des DualShock 4. Mit diesen Innovationen müssen die Entwickler wohl erst noch umgehen lernen.

Die Games

Eine ausführlichere Betrachtung der einzelnen Spiele-Highlights folgt in einem eigenständigen Artikel, doch vorab einige Impressionen nach dem ersten Messetag.

Wie groß der technische Fortschritt zur aktuellen Generation ist, zeigen einerseits einige exklusive, lineare Werke wie das Action-Adventure "Ryse: Son of Rome" für XBO und "Killzone: Shadow Fall" für PS4. Auch die Rennspiele "Forza Motorsport 5" oder "DriveClub" machen etwas her, jedoch sind dies alles Spielerlebnisse, wie man sie bereits die vergangenen zehn Jahre kannte. Spektakulär, aber wenig inspirierend. Der den Spezifikationen nach deutliche Leistungsvorteil der PS4 ließ sich anhand der ersten Games nicht erkennen. Unterschiede zwischen Multiplattformwerken werden sich wohl erst herauskristallisieren, wenn sich die Entwickler mit der Hardware vertraut gemacht haben. Dies gilt auch für potentielle aber noch hoch theoretische Cloud-Versprechungen.

(Video: Tom Clancy's The Division - E3 gameplay reveal)

Wirklich das Gefühl von "Next-Gen" bringen hingegen Spiele auf, die versuchen das Gameplay und die Möglichkeiten der Vernetzung voranzutreiben. Einzelspielererfahrungen werden mit Mehrspielererlebnissen verschmolzen, die Spielwelten geöffnet und laufend weiterentwickelt. Hierzu gehören etwa der Hacker-Thriller "Watch Dogs", der neue Online-Rollenspiel-Shooter "Tom Clancy's: The Division" oder Bungies viel versprechender Open-World-Shooter "Destiny".

Diese Titel glänzten in den Demos nicht nur optisch mit Detailverliebtheit und flüssigen Animationen, sondern erwecken überdies den Anschein, dass hier Spielern neue Möglichkeiten bevorstehen. Spielt man alleine, können sich Freunde und fremde Spieler spontan der Herausforderung anschließen. Die Grenzen zwischen Genres und Modi verschmelzen zusehends. Es muss sich dabei gewiss nicht immer um bahnbrechende Features handeln, es reicht auch schon, wenn man künftig in einem "Battlefield 4"-Match eine ganze Skyline planieren kann, um den Feind zu besiegen. Spielwelten werden interaktiver und damit auf längere Zeit interessanter.

(Video: Offizieller Destiny-E3-Gameplay-Trailer)

Mobile Vernetzung

Ein weiterer großer und positiver Trend der neuen Konsolen ist die Vernetzung mit mobilen Endgeräten. Von den genannten Vorzeigetiteln lagerten zumindest optional fast alle Spiele Inhalte und Funktionen auf Tablets und Smartphones aus. Ziel ist es, die Spieler auch vor und nach einer Konsolensession am Ball zu halten und das Mehrspielererlebnis zu erweitern. Bei "Battlefield 4" kann so etwa ein Hobby-General am Tablet das Schlachtfeld observieren, seinem Team strategische Anweisungen geben und über Artillerie eine Wendung bewirken. Ganz ähnlich die Funktionsweise in "Watch Dogs". Bei Rennspielen wiederum können Modifikationen am Auto oder an Strecken in der Arbeit oder im Bus vorgenommen werden, was die Wartezeiten beim Konsolenspielen verkürzt.

Nicht alles Gold, was glänzt

Allgegenwärtig ist die Euphorie für die neuen Konsolen auf der E3 jedoch nicht zu spüren. Das technische Potenzial ist groß, einigen frühen Next-Gen-Werken fehlt aber sichtlich noch der Feinschliff.

Microsofts Multimedia-Fokus und ein komplexes und unternehmensgerichtetes Rechtemanagement werfen wiederum ganz eigene Fragen auf, die der Konzern auf der Messe nicht oder nur unbefriedigend beantwortet. Welche TV-Features werde ich in Europa wirklich nutzen können und wann ist es so weit? Welche Absicht steckt tatsächlich hinter dem Online-Zwang und weshalb benötigt es derart restriktive Verbraucherrichtlinien, wenn sich selbst Spielhersteller wie Ubisoft und Activision überrascht zeigen?

Sony hat wiederum einen klaren Fokus auf Games gesetzt und sich für unkomplizierte Konsumentenrichtlinien ausgesprochen. Das Self-Publishing-Modell des PSN Stores verspricht Chancen für kleinere, aber kreativere Games. Allerdings war fern von kurzen Präsentationen noch wenig vom System und den Multimediafunktionen der Konsole und des neuen PSNs zu sehen. Auch der propagierte technische Vorsprung gegenüber dem Mitbewerb ist bisher nicht zu verspüren.

Was die Cloud nebst Online-Speicherständen wirklich für Spiele bewirken wird, steht bei beiden Herstellern in den Sternen. First- und Third-Party-Entwickler vor Ort sprechen wenige Monate vor dem Marktstart mehr von den Möglichkeiten, als von bereits umgesetzten Einsatzbeispielen.

(Video: Battlefield 4: Official "Siege of Shanghai" Multiplayer Trailer) 

Frischer Wind

In jedem Fall positiv zu vermerken ist der frische Wind, den PS4 und Xbox One in den Markt bringen. Fortsetzungen dominieren zwar auch heuer das Games-Portfolio, doch viele Studios haben lange auf den technischen Fortschritt gewartet und können spannende Ideen aufzeigen.

Letztendlich ist zudem der psychologische Effekt eines Generationswechsels nicht zu verachten. Mit dem Start zweier neuer Plattformen haben Spielhersteller die Chance, frische Ideen und Franchises zu etablieren. Wenngleich sich am Modell der generischen Serien als Cashcows nichts ändern wird, blitzen am Horizont bereits einige große Hoffnungsträger auf, die das Medium Videospiele vorantreiben dürften. "Watch Dogs", "Destiny" oder "The Division" weisen beispielgebend die Richtung. Aufschwung auch auf künstlerischer Ebene verspricht die boomende Indie-Szene, die mit den neuen Konsolen möglicherweise ein größeres Publikum als bisher erreichen können wird.

Konsolenrennen

Welche der beiden Konsolen schließlich das Rennen um die Gunst der Konsumenten gewinnen wird, ist so früh schwer abzuschätzen. Mit einem günstigeren Startpreis, einem klaren Spielfokus und der Berücksichtigung vieler Konsumentenwünsche weiß die PS4 derzeit die Gunst der lautstarken Kernspielerschaft auf ihrer Seite. Doch in wie weit sich die Stimmungsmache in Online-Foren und sozialen Medien auf den Massenmarkt auswirken kann und wird, ist offen. Microsofts Xbox One-Ansatz einer multifunktionalen TV/Spielkonsole hat das Potenzial, schlussendlich eine breitere Zielgruppe anzusprechen. Jedoch ist den Redmonder anzuraten, noch kräftig an ihrer Unternehmenspolitik und Kommunikation mit den Konsumenten zu schrauben, will man weitere Image-Einbußen verhindern. Videospielprodukte sind letzten Endes ein sehr emotionales Thema.

Die PlayStation 4 wird zum Weihnachtsgeschäft für 399 Euro, die Xbox One im November für 499 Euro erhältlich sein. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at, 12.6.2013)