Wien - Die Reform des Amtsgeheimnisses vor der Sommerpause des Nationalrats wird offenbar nicht zustande kommen. ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf wünscht sich eine "ordentliche Begutachtung" des Vorhabens durch die Regierung. Damit dürfte ein Beschluss vor dem Sommer unmöglich sein.

"Ich halte den Fahrplan bis zur Juli-Sitzung für praktisch nicht machbar", sagte Kopf am Mittwoch. SPÖ-Staatsekretär Josef Ostermayer reagiert mit Unverständnis auf die Aussagen Kopfs.

Zuversichtlich ist der ÖVP-Klubchef aber beim Demokratiepaket. Hier soll ab kommender Woche mit der Opposition verhandelt werden. Kopf sieht beide Projekte - Demokratiepaket und Informationsfreiheitsgesetz - als verwandte Themen, weil es in beiden Fällen um intensivere Bürgerbeteiligung gehe. Die "Mitwirkung an der Gesetzgebung" beim Demokratiepaket sei auf gutem Weg, so Kopf: "Ich gehe davon aus, dass wir das bis Juli beschließen können." Beim Informationsfreiheitsgesetz betont er aber, "dass das textlich noch nicht so weit ist".

Für Gesetzesbegutachtung

Bei der Reform des Amtsgeheimnisses sei eine ausführliche Gesetzesbegutachtung nötig. "Es wäre richtig und seriös, wenn das Bundeskanzleramt das Ganze einer ordentlichen mehrwöchigen Begutachtung unterzieht und nicht in einem Schnellschuss im stillen Kämmerlein verabschiedet", so Kopf.

In der Praxis würde das bedeuten, dass der Beschluss nicht wie zuletzt geplant vor der Sommerpause erfolgen könnte. Denkbar sei zwar auch eine Begutachtung durch den Verfassungsausschuss des Nationalrats, aber auch in diesem Fall hält Kopf einen Beschluss vor der Sommerpause nicht für möglich. Eine Ausschuss-Begutachtung könne nämlich ebenfalls nicht binnen einer Woche abgewickelt werden.

"Keine Verzögerung"

Den Vorwurf, das Projekt verzögern zu wollen, will der ÖVP-Klubchef nicht gelten lassen. "Ein Transparenzgesetz durch einen intransparenten Gesetzgebungsprozess abzuwickeln, das wird nicht gehen", verteidigte Kopf seine Forderung. Außerdem sei der ursprünglich für diesen Mittwoch angedachte Initiativantrag im Nationalrat ohnehin nicht zweckmäßig, weil das Ganze ein Regierungsprojekt sei.

Beim Demokratiepaket, das unter anderem erfolgreiche Volksbegehren durch verpflichtende Volksbefragungen aufwerten soll, ist Kopf allerdings zuversichtlich. Er geht davon aus, dass sich die ÖVP in den nächsten Tagen mit der SPÖ bei den letzten offenen Fragen einigen werde. Verhandlungen mit der Opposition soll es ab kommender Woche geben. Kopf geht weiterhin davon aus, dass zehn Prozent der Wahlberechtigten eine "sehr brauchbare Größenordnung" für die Einleitung von Volksbefragungen sind. Ob auch Volksbefragungen über Steuergesetze möglich sein sollen, will er noch nicht beurteilen. "Da brauchen wir noch ein, zwei Tage."

SPÖ: "Bedauerlich"

Die SPÖ reagiert mit Unverständnis auf die Aussagen Kopfs zur Reform des Amtsgeheimnisses. Mit der ÖVP sei vereinbart gewesen, die Reform als gemeinsamen Initiativantrag ins Parlament zu bringen, sagte ein Sprecher von Kanzleramtsstaatssekretär Josef Ostermayer: "Wenn die ÖVP das nicht machen will, dann ist es bedauerlich, wenn es nicht kommt." Immerhin hätte die Reform einen Paradigmenwechsel beim Amtsgeheimnis gebracht.

Gegen eine Begutachtung des Gesetzesentwurfs hätte die SPÖ demnach zwar nichts einzuwenden, durchgeführt werden sollte diese nach Ansicht des Ostermayer-Sprechers aber vom Verfassungsausschuss: "Es war im Fahrplan vorgesehen, dass es eine Begutachtung als Ausschussbegutachtung geben kann."

Geplant war die Ausschusssitzung für den 13. Juni, der Beschluss des Gesetzes im Plenum des Nationalrats war für Anfang Juli vorgesehen.

ÖVP-Justizsprecher Michael Ikrath will  VP-Klubchef Kopf sprechen. Ikrath, selbst ein Befürworter eines Informationsfreiheitsgesetzes, ist nach eigenem Angaben vom Zustandekommen des ursprünglich geplanten Initiativantrages ausgegangen. Am Vormittag hatte er via Twitter verkündet, dass ein entsprechendes Verfassungsgesetz noch in dieser Periode eingebracht werde. Nun will er erfahren, was Kopf zu seinen Aussagen bewogen hat.

Initiative mit eigenem Gesetzesentwurf

Die Initiative transparenzgesetz.at hatte zuvor kritisiert, dass der Vorschlag nicht transparent diskutiert werde. Renommierte Experten arbeiteten einen eigenen Gesetzesentwurf aus, da sie fürchteten, dass jener der Regierung zu schwammig formuliert sein könnte, berichtete das Ö1-"Morgenjournal".

Hinter dem nun vorgelegten Entwurf stehen führende Experten wie der Rechtsanwalt Alfred Noll, der Korruptionsforscher Hubert Sickinger, der Universitätsjurist Daniel Ennöckl, der ehemalige Chef der Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft, Walter Geyer, unb der ehemalige Rechnungshofpräsident Franz Fiedler.

Sickinger pocht auf Beschluss vor Sommer

Kritisiert wurde das Vorgehen der Regierung, den Entwurf nicht öffentlich zu machen: Die Verfassungsänderung wird als Initiativantrag einzelner Abgeordneter ins Parlament gebracht. "Damit wird sie einer breiten Debatte in und mit der Öffentlichkeit entzogen", hieß es in einer Stellungnahme auf transparenzgesetz.at.

"Üblicherweise werden so wichtige Entscheidungen vom Ministerrat beschlossen, eine Regierungsvorlage erarbeitet und dann in Begutachtung geschickt. Damit möglichst viele Institutionen dazu Stellung nehmen können und seine Bürgerinnen und Bürger Monate im Voraus wissen, was für Österreich beschlossen werden soll."

Der wichtigste Punkt in dem Entwurf der Expertengruppe: Das Recht auf Information muss einheitlich geregelt sein auf allen drei Ebenen des Staates - Bund, Länder, Gemeinden. Dafür sei ein Verfassungsgesetz notwendig, das allen Bürgern das gleiche Recht auf Information gegenüber der Verwaltung verbrieft, samt Zugang zu deren Dokumenten.

Die Intitiative Transparenzgesetz.at pocht auf einen Beschluss der Lockerung des Amtsgeheimnisses noch vor der Sommerpause des Parlaments. "Wenn es vor der Sommerpause nicht kommt, dann ist es aufgeschoben, dann haben die Regierungsparteien erfolgreich Zeit verloren", warnt Initiator Hubert Sickinger. An einen Beschluss im Herbst - "mitten im Wahlkampf" - glaubt er nicht. Die von VP-Klubchef Karlheinz Kopf geforderte Begutachtung könnte seiner Meinung nach auch vom Parlament durchgeführt werden. (APA/red, derStandard.at, 12.6.2013)