Manfred Hainbuchner, OÖ-Landespolitiker der FPÖ, und Elke Kahr, KPÖ-Stadträtin in Graz, diskutierten über Wohnkosten unter der Moderation von Gerfried Sperl im Leopold-Museum – über ihnen ein Plakat der laufenden Ausstellung von Manfred Bockelmann.

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Die Stadträtin Elke Kahr (KPÖ) aus Graz sieht die Schuld für teures Wohnen im Rückgang des sozialen Wohnbaus, Oberösterreichs Landesrat Manfred Haimbuchner (FPÖ) in steigenden Nebenkosten. Gerfried Sperl moderierte.

STANDARD: Obergrenzen oder Marktpreise – wo stehen Sie?

Kahr: Ich bin für Obergrenzen, weil es die tägliche Praxis zeigt, wohin es führt, seit es diese unsäglichen Richtwerte und freien Mietzinse gibt. Bei diesen ganzen Zu- und Abschlägen kennen sich nicht einmal die Experten aus. Das ermöglicht es den Vermietern, den Kunden Mietpreise aufzubürden, die von einem Großteil nicht mehr bewältigt werden können.

Haimbuchner: Ich bin für Marktpreise. Obergrenzen sind eigentlich ein Modell aus der Vergangenheit, das hat schon früher nicht funktioniert. In Oberösterreich beträgt die Obergrenze für die Raummiete im gemeinnützigen sozialen Wohnbau 3,65 Euro pro Quadratmeter. Nicht die Raummiete ist das Problem, sondern andere Kosten, vor allem der öffentlichen Hand. Kanal- und Wassergebühren haben sich in den vergangenen Jahren exorbitant entwickelt. Da muss man den Hebel ansetzen.

Kahr: Aber die wichtigste Frage ist, ob es genügend gemeinnützige und Gemeindewohnungen gibt. In Graz gibt es da ein Riesenproblem. Wir sind seit 1998 für Gemeindewohnungen zuständig, jede vierte war damals Substandard. Es war ein riesiger Aufholbedarf, diesen Wohnraum auch für einkommensschwächere Familien wieder bewohnbar zu machen. Das ist uns gut gelungen. Aber leider hat die öffentliche Hand selbst aufgehört zu bauen. Weil es zu wenig Gemeindewohnungen in Graz gibt, steigen die Mieten am privaten Wohnungsmarkt. Immer mehr arbeitende Menschen können sich diese Mieten nicht leisten. Da brauchen wir eine Korrektur.

Haimbuchner: Es gibt gravierende Unterschiede zwischen Graz und Linz. Die Bautätigkeit ist in Linz seit Jahrzehnten massiv. Durch den gemeinnützigen sozialen Wohnbau ergeben sich automatische Obergrenzen, sonst fördern wir nicht. Es gibt Herstellungs- und Finanzierungskosten. Die Finanzierungskosten sind derzeit gering, aber der Baukostenindex im gemeinnützigen sozialen Wohnbau ist in zehn Jahren um 46 Prozent gestiegen, wegen der verschiedenen Normen und Klimaschutzvereinbarungen. Wir haben 6000 Ö-Normen, die für den Wohnbau relevant sind. Dort sind die Kostentreiber wirklich zu Hause.

STANDARD: Aber jede Norm hat auch einen Grund. Frau Kahr, gibt es in der Steiermark zu viele Normen? Kann man welche abbauen?

Kahr: Teilweise stimmt es, dass die Baukosten auch durch die Überfrachtung mit Vorschriften steigen. Aber das ist nicht das Hauptproblem. In zwei Jahren, 2011 und 2012, sind in der Steiermark nur 2700 geförderte Wohnungen errichtet worden. Allein in Graz hätten wir für diesen Bedarf genügend Familien auf den Wartelisten stehen.

Haimbuchner: Wir haben eine Baukostenevaluierung von 2008 bis 2012 gemacht. In diesem Zeitraum haben sich die Baukosten um 175.000 Euro oder 165 Euro pro Quadratmeter gesteigert, nur aufgrund von Vorschriften. Das sollte man einmal bedenken.

STANDARD: Um welche Vorschriften geht es denn da?

Haimbuchner: Etwa um die Hy­gieneverordnung, die Deponieverordnung oder den Brandschutz. Die Brandschutzabschnitte müssen verkleinert werden, obwohl die Brandfestigkeit von Baustoffen zunimmt. Es gibt in der Bautechnik viele einzelne Bestimmungen, die werden von einem Sachverständigengremium erarbeitet und dann von der Politik für verbindlich erklärt. Dazu kommt auch der Lobbyismus. Da liegt für mich das Hauptproblem als Politiker: Man hat hier die Verantwortung abgegeben. Die Politik sollte das Heft des Handels wieder in die Hand nehmen.

STANDARD: Bauordnungen sind ja Ländersache. Warum nehmen Sie in Oberösterreich das Heft nicht in die Hand?

Haimbuchner: Das würde ich gerne machen. Nur: Ich bin nur Wohnbaureferent und nicht für die Bauordnung, das Bautechnikgesetz und die Bautechnikverordnung zuständig. Aber wir führen jetzt in Oberösterreich ein Tool ein, um die Mehrkosten auszurechnen. Das soll auch als Richtlinie für die Bauträger dienen, wenn sie eine Förderung haben wollen.

STANDARD: Stichwort Förderung – sind Sie für die Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung?

Kahr: Selbstverständlich. Jahrelang haben wir wegen der Auflösung der Zweckbindung Anträge eingebracht und damit Schiffbruch erlitten; jetzt kriegen wir von anderen recht. Wobei die Steiermark mit diesen Geldern nicht spekuliert hat – aber sie hat es zum Stopfen der Budgetlöcher verwendet. Es kam nicht dem kommunalen Wohnbau zugute. Für eine Änderung muss nicht auf die nächste Regierung gewartet werden. Es hindert niemand ÖVP und SPÖ daran, das schon vor der Wahl umzusetzen. Das wäre das glaubwürdigste Signal.

Haimbuchner: Ich trete auch ganz klar für die Zweckbindung ein. Aber es wäre ein Trugschluss zu glauben, dann würde das Wohnen supergünstig werden. Es nutzt ja nichts, wenn ich zusätzliche 10.000 Wohneinheiten errichte und die Leute sich die nicht leisten können. Wir haben auch eine Art Zweckbindung in Oberösterreich. Die Mittel, die vom Bund kommen, werden für den Wohnbau verwendet. Aber es nützt nichts, wenn man nicht das Thema Gebühren ernsthaft angeht und die zusätzlichen Belastungen durch den Klimaschutz.

Kahr: Es ist richtig, dass Betriebskosten die Wohnkosten in die Höhe treiben. Aber da muss man als Politiker mithelfen, dass es nicht dazu kommt. Ich würde Sie daher bitten, Ihre Kollegen von den Freiheitlichen in der Stadt Graz zu ersuchen, dass sie etwas gegen die automatische Anhebung von Wasser, Kanal, Müllabfuhr tun. Diese jährliche Automatisierung führt zu einer massiven Verteuerung der Betriebskosten. (DER STANDARD, 13.6.2013)