Neben der bestehenden Wohnhausanlage wird eine neue gebaut. Die Fortschritt-Mieter können ihre ­Wohnungen eins zu eins übernehmen, vergrößern oder verkleinern – je nach Bedarf.

Foto: Fortschritt

Meist sind es Erinnerungen, die einen nicht loslassen wollen: so wie die liebgewonnenen Nachbarn oder der Einkaufsladen um die Ecke. Dabei ist die Wohnung im mehrgeschoßigen Altbau aus der Nachkriegszeit schlecht isoliert, es gibt keinen Lift, keinen Balkon, und Schimmel hält in den Ecken Einzug. Der Umzug in eine neue Wohnanlage würde zwar eine Verbesserung der Wohnqualität mit sich bringen, ist aber zumeist mit deutlich höheren Mietkosten verbunden.

Teure Sanierung

Nicht so bei der gemeinnützigen Kärntner Wohnbaugenossenschaft Fortschritt. Die hat mit ­"Reconstructing" einen neuen Weg eingeschlagen. Statt Altbauten teuer zu sanieren und dabei meist nur geringfügige Verbesserungen zu erzielen, wird auf demselben Grundstück ein Neubau hochgezogen. Die alte Wohnung kann sozusagen eins zu eins in die neue Wohnanlage transferiert werden. Der Vorteil: Die Adresse bleibt dieselbe ebenso wie der Quadratmeterpreis der Mieten. Der liegt derzeit laut Kärntner Wohnbauförderungsgesetz bei 2,75 pro Quadratmeter.

In der Klagenfurter Luegerstraße hat die Fortschritt 2006 erstmals ein österreichweit einzigartiges Pilotprojekt umgesetzt. Jetzt wurde in der Ankershofenstraße 38 ein zweites Reconstructing-Projekt mit 41 Wohnungen gestartet. "Wir können 100 Prozent der Altmieter in das neue Haus übernehmen", freut sich Fortschritt-Geschäftsführer Franz Armbrust. Viele Mieter würden schon Jahrzehnte in der alten Wohnanlage in der Ankershofenstraße leben. "So können wir die Mieter an uns binden, und sie erhalten im Gegenzug Wohnungen nach den neuesten Wohnstandards", so Armbrust. Die Fortschritt wiederum erspart sich teure Grundankäufe.

Lift und Schallschutz

Der neue Bau ist barrierefrei,  jede Wohnung ist über einen Lift erreichbar, verfügt über modernste Heiztechnik sowie Balkon oder Loggia. Es gibt Tiefgaragenplätze, Mietergärten und Schallschutz.  "Vor allem für ältere Menschen ist Reconstructing eine Möglichkeit, so lange als möglich in ihrer gewohnten Umgebung bleiben zu können und auch gleichzeitig ihre Wohnung zu verkleinern", so Armbrust.

Jungfamilien wieder­um könnten problemlos von einer kleineren in eine größere Wohnung umziehen. "Wechselt man etwa von einer 70- in eine 90-Quadratmeter-Wohnung dann bleibt der alte Mietpreis für die ursprüngliche Größe gleich, für die zusätzlichen Quadratmeter wird dann ein Neubauzins berechnet", erklärt der kaufmännische Direktor Wolfram Stöby. Neumietern wird insgesamt der Neubauzins berechnet. Der erste Bauabschnitt mit 24 Wohneinheiten soll bis Ende 2014 fertig werden. Die Klagenfurter Architektin Barbara Frediani-Gasser wurde über einen Architektenwettbewerb ermittelt.

Beitrag zur Stadterneuerung

Reconstructing funktioniert allerdings nur dort, wo es genügend Freiflächen für den Neubau zwischen den alten Wohnanlagen gibt. Gebaut wird erst, wenn die Förderdarlehen des Landes (35 Prozent Direktdarlehen und 65 Prozent bezuschusste Kapitaldarlehen) restlos zurückgezahlt sind.

Rund 500 Wohnungen hat die Fortschritt derzeit in Bauplanung. Ob und wann gebaut wird, hängt auch von der Förderzuteilung ab. Im hochverschuldeten Land Kärnten könnte es da zu längeren Wartezeiten kommen. "Die Zweckbindung der Wohnbauförderung muss unbedingt wieder her", meint Stöby. "Auch eine Abrissförderung für Altgebäude wäre sinnvoll."

"Reconstructing ist ein echtes Zukunftsmodell", sagt Armbrust. "Wir bauen effizient, ökologisch, sparen Energie und tragen zur Stadterneuerung bei." Darüber ­hinaus habe man mit Reconstructing in schwierigen Zeiten einen starken Beschäftigungseffekt für die Kärntner Bauwirtschaft. (Elisabeth Steiner, DER STANDARD, 13.6.2013)