Wenn Bauträger, Architekten und  Wohnforscher zu einer Tagung zusammenkommen, dann ist es normal, dass nach einer öffentlich finanzierten Wohnbauinitiative gerufen wird. Beim 46. STANDARD-Symposium über die Zukunft des Wohnens vergangene Woche war es genau so – und doch etwas anders. Denn erstmals seit Jahren besteht eine konkrete Chance, dass tatsächlich zusätzliche Mittel in den Bau von Wohnungen fließen werden.

Die Kombination von steigenden Mieten und nahendem Wahlkampf hat die Koalitionsparteien, vor allem die SPÖ, zu hektischem Handeln angeregt. Ob es tatsächlich noch vor der Wahl zu einer Wohnbauoffensive kommt oder dieser Plan vom Hochwasser davongeschwemmt wurde, bleibt abzuwarten. Aber beide Regierungsparteien wollen verhindern, dass die steigenden Wohnkosten den Wahlkampf beherrschen.

Rückkehr der Zweckbindung

Mehr Geld aus dem Budget allein werde das Problem steigender Wohnkosten nicht lösen, lautete der Tenor auf der vom Fachmagazin "Wohnen Plus" mitorganisierten Veranstaltung in den Räumen des Leopold-Museums, Einigkeit herrschte auch über die Notwendigkeit, die Zweckbindung der Wohnbauförderung sowie der Rückflüsse wieder einzuführen,  damit die Bundesmittel tatsächlich neue Wohnungen schaffen.

Bei dem durch den Titel des Symposiums, "Obergrenzen oder Marktpreise", aufgeworfenen Thema gingen die Meinungen hingegen auseinander – genauso bei der Frage, ob Mieter geförderter Wohnungen später mehr bezahlen sollten, wenn sie besser verdienen, und ob Gelder von der Objektförderung in die Subjektförderung umgelenkt werden sollten. Und stets ging es auch um die Kernfrage, ob der freie Markt eine Wohnversorgung sichern oder ­zumindest zu ihr beitragen kann.

"Mischsystem hat sich bewährt"

Verfassungsrechtler Heinz May­er, der Dekan des Juridicums Wien, sprach sich in seinem Einführungsreferat dafür aus, dass Menschen mit höherem Einkommen auch höhere Mieten zahlen sollen, wie es die ÖVP für Gemeindewohnungen verlangt. "Der Staat ist nicht dazu da, mir eine geförderte Wohnung zu geben, sehr wohl aber meinen Mitarbeitern, die gerade mit dem Studium fertig geworden sind", sagte er. Dies ließe sich durch Verträge
so gestalten, dass niemand zum ­Ausziehen gezwungen wird, wenn das Einkommen steigt; das wäre "inakzeptabel".

Mayer sprach in diesem Zusammenhang auch von einer langsamen Verschiebung von Objekt- zu Subjektförderung, was allerdings bei Sozialbau-Chef Herbert Ludl, dem Obmann der Wiener Gemeinnützigen, auf heftigen Widerspruch stieß. In Deutschland habe ein solcher Wandel dazu geführt, dass weniger gebaut werde und viele Familien trotz Förderung keine Wohnung finden könnten. Außerdem sei es nicht gut, "Menschen zu Bittstellern zu machen", betonte Ludl. "Das österreichische Mischsystem hat sich bewährt."

Ludl machte sich auch für allgemeine Mietzinsobergrenzen nach dem Vorbild des geförderten Wohnbaus stark. Das war auch die Position von AK-Wohnexperte Walter Rosifka, der die bestehenden Richtwerte im Altbau für unzureichend hält, weil sie in der Praxis nicht durchgesetzt werden. Er will zu strikten Obergrenzen zurückkehren, wie sie bis in die 1990er-Jahre existiert hatten.

Einfachere Richtwerte

Jörg Wippel, Geschäftsführer des gewerblichen Bauträgers wvg, glaubt hingegen, dass das Richtwertsystem, das derzeit ganz schlecht umgesetzt werde, durch Vereinfachung und mehr Transparenz repariert werden könnte. Ein taxativer Katalog von fünf bis 15 Kriterien sei ausreichend, "damit jeder weiß, was eine Wohnung kosten soll und die Gerichte dies nachprüfen können".

Für Eugen Otto, Geschäftsführer der Otto Immobiliengruppe, sind nicht staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung, sondern bessere Stadtplanung, eine engere Zusammenarbeit zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Hand sowie der konsequente Ausbau der vielen brachliegenden Dachböden in Wien der beste Weg, um der wachsenden Bevölkerung zu Wohnraum zu ver­helfen. Und schließlich sollten Gemeinden sich stärker in die ­Vermittlung von Wohnungen ­einschalten. "Das ist eine Dienstleistung, die vom privaten Sektor erwartet wird, aber sehr wohl auch von der Kommune erbracht werden kann", so Otto.

Problem der Normen

In der Debatte der Politiker plädierte die Grazer Wohnbau-Stadträtin Elke Kahr (KPÖ) wiederum für strikte Obergrenzen, weil "die unsäglichen Richtwerte im freien Mietzins von normalen Bürgern nicht bezahlbar sind". Der oberösterreichische Wohnbau-Landesrat Manfred Hainbuchner (FPÖ) hält dies für "ein Modell aus der Vergangenheit". Ebenso wie der Bundesvorsitzende der Architekten- und Ingenieurskammer, Christian Aulinger, sieht Hainbuchner das Hauptproblem bei den vielen und immer neuen Normen und Auflagen, die den Wohnbau so teuer machten. Getrieben sei dieser Prozess von Sachverständigen und Lobbys, deren Vorgaben die Politiker eins zu eins übernähmen. Dazu Hainbuchner: "Die Politik sollte das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen." (Eric Frey, DER STANDARD, 13.6.2013)