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Die Vijećnica wurde 1892 bis 1894 nach Plänen des österreichischen Architekten Alexander Wittek als Rathaus erbaut.

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Foto: Drava Verlag

Brücken, die an Familientragödien erinnern, eine zerstörte Bibliothek, ein tödlicher Marktbesuch - verschiedene AutorInnen erzählen von Sarajevo. "Bibliothek Sarajevo" ist eine Hommage an und eine kritische Auseinandersetzung mit einer Stadt, die ihren Bewohnern Heimat und Hölle zugleich war (und ist).

Die Vijećnica, ein kulturelles Trauma

Das ursprünglich als Rathaus (vijećnica) erbaute und nach 1948 als Nationalbibliothek genutzte Gebäude steht immer wieder im Mittelpunkt der Geschichten. Sei es ein Auszug aus einer Erzählung über das Leben des österreichischen Architekten und Erbauers Alexander Wittek, eine persönliche Erinnerung oder die Beschäftigung mit politischen Diskussionen rund um den Wiederaufbau des im August 1992 zerstörten Gebäudes.

Mehr als ein Gebäude

Jedoch lässt sich diese Anthologie nicht bloß als die Geschichte einer Bibliothek lesen. Sie liefert viel eher einen Ausschnitt aus dem Leben der Sarajevoer Bevölkerung vor und nach dem Jugoslawienkrieg der 1990er-Jahre. Die einzelnen Erzählungen, von denen sich einige nicht mit der vijećnica befassen, bilden mit zahlreichen Eindrücke aus einer vielfältigen Stadt und dem Trauma, den Alltag von den Schrecken des Kriegs zersetzt zu sehen, eine Einheit.

Ein Buch als Mosaik

Wie Sarajevo selbst stellt dieses Werk kein homogenes Ganzes dar: Es setzt sich aus verschiedenartigen Erzählungen, Gesprächen und Gedichten zusammen. Die Zeit vor dem Krieg findet ebenso Erwähnung wie das Leben zwischen und nach den Kämpfen. "Bibliothek Sarajevo" versucht nicht, ein vermeintlich wahres Sarajevo darzustellen, sondern anklingen zu lassen, dass es aus unterschiedlichen, sich ergänzenden Teilen besteht. Ohne auf eine kritische Auseinandersetzung mit politischen, ökonomischen und sozialen Problemen zu vergessen, liest sich die Anthologie als Plädoyer für ein vielstimmiges Sarajevo. (Daniela Vukadin, daStandard.at, 12.6.2013)