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Gemessen am offensichtlichen Potenzialen gehört der Iran eigentlich unter die Top Ten der globalen touristischen Destinationen.

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Viele Neugierige scharren schon in den Startlöchern für eine Iran-Reise nach den Wahlen.

So anmutig die Symbolik auch ist: Der Lack blättert von den Schwänen, die vor der 33-Bogen-Brücke in Isfahan als Tretboote treiben. Dabei hat die Unesco den Welterbe-Status der drittgrößten iranischen Metropole erst 2012 um wesentliche Teile ausgeweitet und dabei angedeutet: Der Iran, dessen kulturelles Erbe zu den fünf wichtigsten weltweit gehört, befände sich als Reiseland im Aufschwung. Die Welttourismusorganisation UNWTO legte bei dieser Einschätzung sogar noch ein Schäuferl nach: Gemessen an diesen offensichtlichen Potenzialen verdiene der Iran eigentlich einen Eintrag in die Top Ten der globalen touristischen Destinationen, auch wenn er unter derzeit 139 gelisteten Reiseländern de facto dann doch nur auf Platz 114 aufscheint.

Diese Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit dürfte auch dem iranischen Regime bewusst sein, das seit 2009 keine hilfreichen Tourismuszahlen mehr publiziert. Hatten sich die Einnahmen aus dem Tourismus in den ersten vier Jahren nach 2005 - als die Regierung ihren 20-Jahres-Entwicklungsplan präsentierte - tatsächlich mehr als verdoppelt, sind sie nun wieder stark rückläufig. Rund zwei Drittel weniger ausländische Reisende kämen seit den Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 in den Iran, schätzt etwa die Online-Plattform der iranischen Zivilgesellschaft "Transparency for Iran".

Analogien zu dieser Entwicklung sind auch am Reiseverhalten der Iraner selbst abzulesen: Von den rund zehn Millionen Iranern, die sich (bei einer Gesamtbevölkerung von 78 Millionen) größere Reisen überhaupt leisten können, urlauben bereits zwei Millionen jährlich in der Türkei. Und nachdem die Türkei verlautbarte, bald schon mit fünf Millionen iranischen Gästen pro Jahr zu rechnen, hat die Regierung in Teheran umgehend neue "Attraktivierungsmaßnahmen" für den Urlaub daheim umgesetzt: Der offizielle Wechselkurs des Rial zum US-Dollar wurde einfach so verändert, dass Auslandsreisen für viele Iraner letztlich wieder deutlich zu teuer wurden.

Wie trotzige Pamphlete über das unkaputtbare persische Alltagsleben wirken da die wenigen Zeilen, die es auch vor den Präsidentschaftswahlen 2013 wieder auf die Reiseseiten heimischer Tageszeitungen schafften: "Wir trinken, wir kiffen und wir haben Sex", zitierte selbst die Kronen Zeitung recht empathisch einen Studenten aus Isfahan.

Die deutsch-iranische Islamwissenschafterin und Journalistin Katajun Amirpur, die mit dem Titel "Iran verstehen" bereits 2002 einen absolut klischeebefreiten - und leider vergriffenen - Reiseführer vorlegte, wundern solche Brüche in der Wahrnehmung nicht: "Iraner, die in die laizistische Türkei reisen, sind mitunter darüber erstaunt, wie viele Frauen dort Kopftuch tragen, und westliche Touristen im Iran sind oft überrascht, wie lax manche in Teheran mit den strengen Kleidungsvorschriften umgehen."

Während iranische Künstler wie der Regisseur Abbas Kiarostami offen sagen, die aktuelle Lage im Iran sei so dunkel wie nie zuvor, ortet Amirpur eher eine eigentümlich "offene Atmosphäre" rund um die Wahlen 2013: "Für die Iraner ist das zwar eine Wahl zwischen ,schlecht' und ,ganz schlecht', aber das Regime scheint wie schon 2009 überfordert von den Protesten der Bevölkerung. Wenn bei der Pressekonferenz zum Begräbnis des moderaten Predigers Jalaluddin Taheri in Isfahan etwa auch ein in Mikrofon vom Bayerischen Rundfunk auftaucht, ist das jedenfalls bemerkenswert."

Dass die Weltgemeinschaft der Neugierigen vielleicht zwar wieder die Wahlen verstreichen lassen will, aber dennoch in Startlöchern für eine Iran-Reise scharrt, belegen auch die vielen Neuerscheinungen und Aktualisierungen von deutschsprachigen Reiseführern im vergangenen Jahr. Besonders hilfreich ist unter anderen jener des Iran-Kenners Peter Kerber, der erst im März 2013 vom Trescher-Verlag neu aufgelegt wurde. (Sascha Aumüller, Rondo, DER STANDARD, 14.6.2013)