"Wir haben die absurde Situation, dass Politiker den Privatsendern Interviews geben und dort das Aus für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verteidigen", sagt Katherine Sarikakis über die Einstellung des Senders ERT in Griechenland.

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Die Schließung des staatlichen Rundfunks (ERT) durch die griechische Regierung war am Donnerstag Inhalt zahlreicher Pressekommentare:

"Libération" (Paris): "Die Aufregung des griechischen Volkes, die mittlerweile ganz Europa erfasst hat, entspricht einem Akt, der einer Demokratie kaum würdig ist. Es es legitim zu fragen, wer eine Entscheidung von solcher Brutalität getroffen hat. (...) Auch wenn es wenig wahrscheinlich ist, dass die EU-Kommission offen die Schließung des staatlichen Fernsehens und Radios gefordert hat, ist die Griechenland auferlegte stumpfe Sparpolitik eine der Ursachen. Die ERT-Affäre sollte es den Europäern erlauben, die Gefahr einzuschätzen, die diese blinde Austerität für die öffentlichen Einrichtungen darstellt. Das flüchtige zur Kenntnis nehmen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und durch EU-Kommissionschef José Manuel Barroso reicht nicht aus. Es ist notwendig, das bisherige Dogma klar infrage zu stellen."

"Neue Zürcher Zeitung": "Der Fall ERT zeigt exemplarisch, was in Griechenland seit Monaten falsch läuft und was auch die seit einem Jahr im Amt befindliche Drei-Parteien-Koalition nicht in den Griff bekommt: Die notwendige Sanierung der öffentlichen Unternehmen wird nur halbherzig angegangen. Auch mit der Entlassung von Beamten tut sich die Regierung schwer. Der Umbau des staatlichen Radios und Fernsehens war bereits seit längerem im Gespräch. Erst als die Troika-Vertreter wieder vor der Türe standen, suchte man fieberhaft Reformfortschritte vorzuweisen und wählte Brachialgewalt."

"Aftonbladet" (Stockholm): "Gott weiß, dass Griechenland den Gürtel enger geschnallt hat: brutale Lohn- und Pensionskürzungen, drastische Steuererhöhungen und eine Gesellschaft verurteilt zur Fastenkur. Laut einem UNO-Bericht ist die Obdachlosigkeit in Griechenland seit 2009 um 25 Prozent gestiegen. Fast die Hälfte aller Kinder leben in Armut. In einem Land, wo von 10 Millionen Menschen 1,4 Millionen arbeitslos sind, sind Frauen am stärksten betroffen. Jeder zehnte Grieche lebt heute in extremer Armut. (.) Der IWF hat festgestellt, dass er das Wachstum in Griechenland zu optimistisch eingeschätzt hat und dass man einen größeren Fokus auf die Schulden des Landes hätte haben sollen. Doch die Kürzungen gegen weiter, als hätten sie ein eigenes Leben. In Griechenland knirscht es weiter in den Gelenken."

"Figaro" (Paris): "Das brutale Abschalten des öffentlichen Fernsehens in einem Land, das sich selbst als Wiege der Demokratie rühmt, stellt alles infrage. Es rüttelt die Öffentlichkeit in Griechenland auf und erschüttert die Regierungskoalition in Athen. Die Entscheidung gibt aber auch der Kritik neue Nahrung, die überall an der unglaublichen Ungeschicklichkeit der EU-Instanzen beim Umgang mit der Eurokrise laut wird. Dies ist es zweifellos, was (der konservative Regierungschef Antonis) Samaras erreichen wollte. (...) Die griechischen Regierungen, eine nach der anderen, haben eines gemeinsam - die Vorliebe für Theatertragödien, die sie von ihrer klassischen Kultur geerbt haben."

"La Nouvelle Répubique du Centre-Ouest" (Tours an der Loire): "Es ist gut möglich, dass das öffentliche Fernsehen in Griechenland das Symbol für die Misswirtschaft eines Landes ist, von dem die EU hoffte, es werde sich wieder aufrappeln. Und niemand leugnet, dass diese Institution ein perfektes Instrument der Günstlingswirtschaft war - in den Händen der unterschiedlichen politischen Strömungen, die sich die Macht in Athen geteilt haben. Aber dennoch - selbst unter den Joch der Junta hatten die Griechen nie eine so radikale Maßnahme erlebt. Was ist nur in die konservativen Minister gefahren? Und dann diese brutale Methode, dieser schwarze Bildschirm um 23.00 Uhr Ortszeit, dieses verblüffende 'no signal'. Das alles erscheint unglaublich." (APA, 13.6.2013)