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2007 stand die europäische Agrarlobby und ein unmotivierter US-Präsident George W. Bush im Weg. Dieses Mal könnte alles anders sein.

Foto: ap/mayo virginia

Berlin/Washington - Es wäre ein wunderbares Gastgeschenk für den Besuch von US-Präsident Barack Obama in Europa: Am Freitag werden die EU-Handelsminister zusammensitzen, um der EU-Kommission das Mandat für die Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) zu erteilen. Dann soll der Startschuss für das ambitionierteste transatlantische Projekt der letzten Jahrzehnte fallen.

Zug um Zug

Doch die Nervosität ist relativ groß. Denn Frankreichs Kulturministerin Aurelie Filipetti hat am Mittwoch noch einmal ausdrücklich gedroht, dass Kultur und audiovisuelle Medien nicht mit in das Freihandelsabkommen einbezogen werden dürften - aus Sorge um den hochsubventionierten europäischen, vor allem aber französischen Film. "Frankreich wird die kulturellen Ausnahme bis zuletzt verteidigen - das ist eine rote Linie", sagte Filipetti. Und in Industrie- und Regierungskreisen wird darauf verwiesen, dass jede Ausnahme auf EU-Seite eine auf US-Seite nach sich ziehen wird.

In den letzten Stunden vor der Erteilung des Mandats positionieren sich nochmals alle Beteiligten. Deutschland pocht darauf, dass es keinerlei Ausnahmen geben dürfe. "Wir sollten zum jetzigen Zeitpunkt vermeiden, Tabus aufzubauen", mahnte etwa Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). "Es ist wichtig, dass das Mandat nicht zu löchrig wird und nicht schon jetzt rote Linien eingezogen werden", hatte auch das Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Stefan Mair, betont.

Zweiter Anlauf

Denn schon werden unangenehme Erinnerungen an den früheren Versuch für ein transatlantisches Freihandelsabkommen wach. Bereits 2007 hatte vor allem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen mit EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso auf ein Freihandelsabkommen gedrängt. Aber der damalige US-Präsident George W. Bush schob das Thema auf die lange Bank, es hakte vor allem an Agrarfragen. Der geplante Abbau nicht nur von Zöllen, sondern auch von nicht-tarifären Hürden wie Regulierungs- oder Zulassungsfragen drohte Besitzstände vieler Branchen anzugreifen.

Das ist auch diesmal so. Dennoch scheint alles anders. Die Agrarlobby ist ruhiger als früher, weil sich die Lebensmittelindustrie moderner und globaler aufgestellt und weniger Angst vor US-Importen hat. Die Automobil- und Chemieindustrie sind so eng mit den USA verflochten, dass sie nur Vorteile sehen. Nun sehen die ambitionierten Pläne vor, dass ein Abkommen innerhalb von 20 Monaten ausgehandelt werden soll.

Chinas Aufstieg macht nachdenklich

Entscheidendes Argument für einen Erfolg des Freihandelsabkommens ist aber die wachsende Verzweiflung auf beiden Seiten des Atlantiks. So treibt der Aufstieg Chinas den Westen näher zusammen, wenn er sich etwa bei der Standardsetzung von Produkten künftig noch behaupten will. Streit gibt es allerhand. Nachdem die EU nun Strafzölle auf vermeintlich zu Dumpingpreisen verkaufte chinesische Solarmodule einhebt, prüft die Volksrepublik Zölle auf Wein. Die Chance, dass China seinerseits die Zölle auf europäische Stahlrohre einstellt, ist gesunken. Die Zölle zwischen 9,7 Prozent und 11,1 Prozent behindern den Zugang zum chinesischen Markt erheblich.

Daher hat die EU sich bei der Welthandelsorganisation (WTO) beschwert. Sie glaubt, dass "die Anti-Dumping-Zölle mit dem WTO-Recht unvereinbar sind". Die jetzt beantragten Konsultationen sind die erste Etappe im Streitbeilegungsverfahren der WTO. Führen sie nicht innerhalb von 60 Tagen zu einer Einigung, kann die EU ein Schiedsgericht verlangen.

Hoffen auf Euphorie

Andererseits erhofft man sich auf beiden Seiten des Atlantiks durch den Schulterschluss einen Wirtschaftsstimulus, der quasi gratis kommt. Denn die hohe Verschuldung verbietet anders als früher große staatlich finanzierte Konjunkturprogramme. "Alle brauchen einen Impuls, der erst einmal nichts kostet", sagt Sara Borella, Handelsexpertin des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK).

Kompromisse werden aber nötig sein. So warnen etwa Daten- und Verbraucherschützer auf beiden Seiten des Atlantiks, dass bestehende Standards nicht gesenkt werden dürften. Der Import etwa von amerikanischem Hormonfleisch dürfte zudem weiter schwierig sein. Und die bekanntgewordene weltweite Bespitzelungsaktion der US-Geheimdienste (PRISM) wirft einen zusätzlichen Schatten auf den Auftakt der Gespräche. (APA/red, 13.6.2013)