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Grafik: APA

In Brasilien herrscht Aufbruchstimmung. Der Anpfiff zum Confederations Cup am Samstag ist der Auftakt zu einer Serie sportlicher Events im größten Land Lateinamerikas. Das Turnier ist der Probelauf für die Fußball-WM, die von 12. Juni bis 13. Juli 2014 in zwölf Städten stattfindet. Im August 2016 empfängt Rio de Janeiro die Sportwelt dann zu Olympischen Spielen.

Die Brasilianer sind stolz darauf, ihr Land und ihre Lebensweise der Welt zu präsentieren. Die Zahl der Armen nimmt durch Sozialprogramme stetig ab, in den Städten ist eine neue Mittelschicht herangewachsen. Die Regionalmacht blickt auf ein Jahrzehnt stabilen Wirtschaftswachstums zurück, sogar die weltweite Finanzkrise hat dem Aufschwung kaum etwas anhaben können. Mittlerweile ist Brasilien die siebentgrößte Wirtschaftsnation.

Gemeinsam mit anderen Schwellenländern wie Indien und Südafrika hat Brasilien großen Anteil daran, die politische Vorherrschaft der Industrieländer zumindest infrage zu stellen. Die Wahl eines Brasilianers an die Spitze der Welthandelsorganisation WTO im vergangenen Monat hat das neue Selbstvertrauen zusätzlich gestärkt.

Die Vorbereitungen für die Wettbewerbe laufen seit Jahren. Allein in Rio investiert die öffentliche Hand mehr als sechs Milliarden Euro in Verkehrsprojekte und den Bau von Sportstätten. Nicht alles verläuft reibungslos. Zur Neueröffnung des Maracanã-Stadions nach mehr als zwei Jahren Umbau waren die Arbeiten noch nicht abgeschlossen, die Baukosten haben sich verdoppelt. Auch der Neubau des Stadions in der Hauptstadt Brasília für rund 600 Millionen Euro wirft Fragen auf. Kritiker sprechen von "weißen Elefanten" - schönen Bauten, die mangels erstklassiger Teams nie wieder genutzt werden.

Am Volk vorbeigebaut

Trotz aller Fußballbegeisterung mehren sich die Stimmen, die von Fehlplanung und Geldverschwendung sprechen. "Wir laufen Gefahr, eine große Chance zu verpassen", sagt Orlando dos Santos Junior, Professor des Instituts für Stadtplanung der Bundesuniversität von Rio de Janeiro (UFRJ). Die Verkehrsprojekte dienten nur dem Zugang zu den Stadien und der Anbindung an die reichen Touristenviertel. "Viele der neuen Verkehrsstraßen gehen an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei, die Fahrzeit von den ärmeren Vierteln zu den Arbeitsplätzen im Zentrum wird kaum verkürzt."

Auch Ex-Fußballstar Romário (47) gehört zu den Kritikern. Die Vorbereitungen seien "sehr amateurhaft" verlaufen, behauptet der Kongressabgeordnete von Rio. Romário moniert zudem die exklusiven Vermarktungsrechte, die dem Fußballweltverband Fifa per Gesetz eingeräumt wurden. Der Weltmeister von 1994 befürchtet, dass die meisten Brasilianer vom Spektakel wirtschaftlich kaum profitieren und wegen der hohen Eintrittspreise weitgehend ausgeschlossen bleiben.

Doch wenn der Ball erst einmal rollt, werden die kritischen Stimmen schnell übertönt. Für Präsidentin Dilma Rousseff und die regierende Arbeiterpartei bedeuten die sportlichen Feste Etappensiege bei der Gratwanderung zwischen fortschrittlicher Sozialpolitik und Entwicklung durch Wirtschaftswachstum. Seit mehr als zehn Jahren regiert die Mitte- links-Partei. Rousseff sitzt ebenso fest im Sattel wie ihr populärer Vorgänger, der Ex-Gewerkschafter Luiz Inácio Lula da Silva.

Für die Wahlen 2014 werden der Opposition nur geringe Chancen eingeräumt, an die Macht zu kommen - es sei denn, Brasilien blamiert sich vor der Weltöffentlichkeit. Das würde ebenso wenig verziehen wie der Nationalelf, der Seleção, schlechte oder auch nur unattraktive Spiele. (Andreas Behn, DER STANDARD, 14.6.2013)