Brüssel - Die globale Wirtschaftskrise seit 2008 hat den Trend der Zuwanderung von Arbeitskräften in den OECD-Ländern im Schnitt zwar leicht gebremst. Dennoch wanderten im Jahr 2011 weltweit zwei Prozent mehr Menschen in industrialisierte Staaten ein als im Jahr davor, insgesamt gut vier Millionen Personen. An der Spitze liegen dabei nach wie vor die USA, vor Russland, Spanien und Großbritannien.

Die größten Zuwachsraten in Europa gibt es jedoch in Irland, Deutschland - und an dritter Stelle in Österreich, wo die Zahl der Zuwanderer von 2010 auf 2011 netto um 27 Prozent zugenommen hat. In absoluten Zahlen waren das mehr als 58.000 Menschen, um 12.500 mehr als im Jahr davor. Insgesamt sind 114.900 Leute mit ausländischem Pass nach Österreich zugewandert, 73.400 sind wieder ausgewandert, ebenso Rekordwerte.

Zum Vergleich: In Deutschland wanderten 300.000 Menschen ein. Gemessen an der Gesamtbevölkerung liegt Österreich mit plus 0,7 Prozent nur leicht über dem OECD-Schnitt.

Das geht aus dem jüngsten OECD-Bericht zur Arbeitsmigration hervor, die am Donnerstag in Brüssel präsentiert wurde. Die breit angelegte Studie untersuchte nicht nur reine Wanderungsbewegungen, sondern zog erstmals Bilanz, welche Wirkungen der Zustrom von ausländischen Arbeitskräften auf Wirtschaftsentwicklung und Wachstum hat, aber auch welche Einflüsse er auf das Sozialsystem hat.

Ergebnis für Österreich: Das Land profitiert wirtschaftlich unter dem Strich bemerkenswert von den Migranten, von denen zwei Drittel aus dem EU-Raum kommen und die geltende Personenfreizügigkeit nützen. Familiennachzug oder soziale Migration spielen eher eine untergeordnete Rolle. Die OECD-Experten haben ausgerechnet, dass jeder Zuwanderer aus dem Ausland, der einen Arbeitsplatz hat, netto um 2400 Euro mehr in die Staatskassen einzahlt als er über Sozialleistungen oder aus dem Gesundheitssystem wieder herausbekommt. Damit liegt Österreich deutlich unter dem OECD-Schnitt von 3200 Euro im Jahr. Errechnet wird dieser Wert, indem man die von den Zuwanderern erbrachten Steuer- und Abgabenleistungen mit den staatlichen Transferleistungen gegenrechnet.

Bei sogenannten "gemischten" Haushalten, in denen ein österreichischer und ein ausländischer Staatsbürger zusammenleben, fällt die Differenz weit höher aus: Sie zahlen 6400 Euro netto mehr in die Staatskassen ein, als sie rausbekommen.

Interessant dabei ist, dass sich diese Nettoleistungen für das staatliche Sozialbudget bei den Ausländern seit Ausbruch der Krise viel stärker erhöht haben als bei den in Österreich Geborenen. Die Experten führen das auf die positive Erwerbsentwicklung unter Zuwanderern ein. Ihre Beschäftigtenquote stieg von 2008 bis 2012 um 1,5 Prozent. In den meisten anderen Ländern lief es umgekehrt.

Durch noch bessere Integration von qualifizierten Migranten hätte Österreich auch noch zusätzliches Wachstumspotenzial von 0,4 Prozent des BIP, heißt es in der Studie. Die Nettoeinnahmen des Staates könnten um 500 Millionen Euro steigen.

Sehr ähnlich ist das Bild im Nachbarland Deutschland. Dort ist den OECD- Experten ein Trend besonders aufgefallen. Die Zuwanderung aus den Krisenländern Griechenland und Spanien ist fast explodiert (plus 73 bzw. 50 Prozent). Aber ein großer Teil der Arbeitskräfte wandert nach einem Jahr wieder ab. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 14.6.2013)