Wien - Das Leben ist ein Hund. Das hat sich Mittwochabend deutlich gezeigt, als der Verbund nach Börsenschluss eine rekordverdächtig hohe Wertberichtigung von mehr als einer Milliarde Euro bekanntgeben musste. Was beim ersten Hinsehen sexy scheint, liefert auf den zweiten Blick oft ein Bild des Grauens: Flöhe und Tollwut beim Hund, beim Verbund hingegen Gaskraftwerke, die tief unter Wasser sind und Pumpspeicher, die nur noch matt strahlen.

Ein Großteil der Probleme, die Konzernlenker Wolfgang Anzengruber lösen muss, hat ihm sein Vorgänger Hans Haider eingebrockt. Für einige ist er selbst verantwortlich - zum Beispiel, sehr lange zugewartet und auf Besserung gehofft zu haben. Dass sich die Marktsituation von Grund auf verändert hat - geschenkt. Damit muss man umgehen können; dafür sind sie ja da, die Lenker.

Expansion ohne Ende

Was hat der Vorgänger verbockt? Haider wollte raus aus dem kleinen Österreich, die Chancen der Liberalisierung nützen und auf Teufel komm raus expandieren. So hat er sich 1999 in Italien eingekauft, etwas später in Frankreich und dann in der Türkei.

Haider, der lange in Diensten von Siemens stand, hatte Gas gerochen und dem Aufsichtsrat verbraten, das sei der neue Rohstoff, mit dem sich Gelddruckmaschinen betreiben ließen. Zu blöd nur, dass man sich auf Jahre, sogar Jahrzehnte an Gaslieferungen aus Russland gebunden hat.

Das Pipelinegas kommt zwar meistens sicher dorthin, wo man es braucht, obwohl es da auch schon unliebsame Überraschungen während des Streits zwischen Moskau und Kiew gegeben hat; das mit dem Ölpreis indexierte Gas ist aber so teuer, dass ein wirtschaftlicher Betrieb damit befeuerter Kraftwerke nicht möglich ist. Die letzten Verträge hat Anzengruber selbst noch mit unterschrieben.

Unrühmliche Bartenstein-Rolle

Eine unrühmliche Rolle hat in der Causa auch Martin Bartenstein gespielt. Als Wirtschaftsminister war er eine Zeitlang für den mehrheitlich der Republik gehörenden Verbund zuständig. Der Steirer Bartenstein hat Haider nicht nur in seinen Plänen unterstützt, sondern gedrängt, etwa nach Frankreich zu gehen. Beim steirischen Estag/Steweag- Steg-Deal wollte man die Franzosen, die sich dort festgesetzt hatten, hinausdrängen. Auch deshalb versuchte man ein Spiel über die Bande - rot-weiß-rote Präsenz in Frankreich zeigen. Funktioniert hat es mehr schlecht als recht. Die Franzosen sind noch immer in der Steiermark, der Verbund hat sich zurückgezogen. Dafür wurden in Frankreich Unmengen an Geld versenkt.

Genau das passiert auch in Mellach. Das Großkraftwerk bei Graz ist tief unter Wasser, weil sich keine Käufer finden, die den teuren Strom wollen. Das Kraftwerk wurde aber nicht nur zum Stromproduzieren errichtet: Die heimische Bauwirtschaft war scharf darauf, Siemens auch.

Minderheitsbeteiligungen meiden

Noch eine Lehre lässt sich aus den jetzigen Kalamitäten des Verbund ziehen: Lass dich nach Möglichkeit nicht auf Minderheitsbeteiligungen ein. Läuft alles glatt, gibt es selten Probleme. Beginnt's aber zu knirschen, ist es enorm schwer, das Ruder herumzureißen. Das hat sich in Frankreich gezeigt mit Poweo, das zeigt sich nun in Italien mit Sorgenia, dem Gemeinschaftsunternehmen mit Cir, einer Holding von Unternehmer Rodolfo De Benedetti. Die Anteile möchte man liebend gern abgeben, nur findet sich kein Käufer.

Und in der Türkei, wo der Verbund mit der Familie Sabanci das Joint Venture Energjisa auf den Weg gebracht hat, war man zwar gleichberechtigt, hatte aber nicht die finanzielle Power, auf dem vorgezeichneten Expansionspfad mitzumarschieren.

Nun ist man wieder dort, wo man vor 15 Jahren schon war, bei der Wasserkraft in Österreich. Und bei ein paar Problemen mehr. (Günther Strobl, DER STANDARD, 14.6.2013)