Für Reichenau-Sommerfrischler ist der Knappenhof eine fixe Größe. Unsereins theaterfernes Gesindel hingegen muss den feudalen Berggasthof mit seinen gefühlvoll renovierten Zimmern und der weitläufigen Terrasse erst entdecken.
Jetzt, wo mit Dieter Breitenecker ein ziemlich spannender Koch angeheuert hat und sich auch noch der Sommer zurückmeldet, ist dafür ein guter Moment. Die Wiesen, durch die sich die schmale Straße hinauf zum Hof windet, stehen in hoher Blüte; wer vor dem Essen auf die Rax kraxelt (ja!), kann neben Reh und Gams mit etwas Glück sogar dem Mufflon nachsteigen; und auch sonst darf man sich hier durchaus ursprünglich mit der Natur im Reinen fühlen. Dafür sorgt nicht zuletzt die Küche mit exemplarischer Hinwendung zu lokalen Bauern und Produzenten.
Kalbsleberpudding mit Rhabarber und Parmesanmousse
Dieter Breitenecker, der vom nahen Wechsel stammt, war in Wien nicht zufällig bei Schnattl wie auch Gaumenspiel - also an ausgesprochen vertrauenswürdigen Adressen - Küchenchef. Reh oder Rind lässt er grundsätzlich im Ganzen anliefern. Einerseits, um das Fleisch entsprechend reifen zu lassen, anderseits aber auch, um ihrer Delikatesse von Kopf bis Fuß habhaft zu werden.
Wer Glück hat, kriegt also auch Beuschel vom Maibock oder Kalbsleberpudding mit Rhabarber und Parmesanmousse (siehe Bild) - ein altes Rezept, das Breitenecker auf berückende Weise ins Jetzt führt. Der betörend fluffige, zart ins Rosafarbene gestockte Pudding ist schlicht zum Eingraben gut. Wie sich die Aromen von allerhand Kräutern und Portwein da mit der himmlisch leichten Masse verweben, wie exakt Rhabarber den Kontrapunkt setzt und Parmesanmousse das alles verbindet, macht auch Innereien-Skeptiker mürbe: grandios, Widerstand zwecklos.
Brennnesseln vom Waldrand
Auch aus dem Wechsel-Lachs (eigentlich ein Saibling wie der "Alpenlachs") des Kleinzüchters Michael Schlager schafft Breitenecker Großes: Er wird in Butter mit einer Kruste aus Weißbrotwürfeln auf den Glaspunkt gebraten, mit Kräutern aus dem Garten und bissfestem Risotto kombiniert. Aus den Fischabschnitten entsteht eine animierend gewürzte, hintergründig scharfe klare Curry-Fischsuppe.
Am Waldrand werden Brennnesseln für bissfeste Ravioli gepflückt, die mit Spargel und ein paar Tupfern Hollandaise zu Tisch kommen. Für gratinierten Millirahmstrudel mit Hollerblütensorbet und Erdbeeren sollte man sich tunlichst Raum lassen - und für den ganz exquisiten Kaffee. Die Weinkarte hingegen gehört angesichts der Qualität der Küche schleunigst ausgebaut. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 14.6.2013)