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In den USA ist geklontes Fleisch ein selbstverständlicher Teil des Lebensmittelgeschäfts.

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In Europa lehnt eine breite Mehrheit der Bevölkerung gentechnisch veränderte Lebensmittel ab.

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Jedes Jahr wandern 450 Milliarden Euro zwischen der EU und den USA. Gäbe es keine Zollschranken, wäre noch mehr drinnen, glaubt vor allem die Wirtschaft und wünscht sich ein umfassendes Freihandelsabkommen. Am Freitag wollen die EU-Staaten den Startschuss geben. Handelskommissar Karel de Gucht soll den Auftrag erhalten, mit Washington zu verhandeln. Fassen müssen die EU-27 diesen Beschluss allerdings einstimmig.

Frankreich aber hat schon angekündigt, notfalls ein Veto einzulegen. Paris fürchtet um seine Filmproduktionen und fordert, dass Filmindustrie und digitale Medien aus den Verhandlungen ausgeklammert werden. Der deutsche Wirtschaftsminister Philipp Rösler dagegen will Verhandlungen ohne Tabus. Aus Diplomatenkreisen war schon zu hören, dass etwa der Datenschutz ausgeklammert werden soll.

Agrarprodukte und Lebensmittel

Einige Grünen-Politiker wie der deutsche Europaabgeordnete Martin Häusling wollen auch Agrarprodukte und Lebensmittel ausklammern. Hier zeichnen sich große Auffassungsunterschiede und harte Diskussionen ab. Zum einen würden Lebensmittelexporte stark steigen, wie eine Studie des Münchner Ifo-Instituts zeigt, zum anderen ist die Produktion von Lebensmitteln bisweilen eine Glaubensfrage - und in diesem Punkt glauben Europäer und Amerikaner ziemlich unterschiedlich.

"Bei uns sind die Standards - Umwelt, ökologisch, hygienisch - einfach relativ hoch im weltweiten Vergleich. Und somit ist es unseren Wettbewerbern, unseren Kollegen in den USA einfach möglich, einfach günstiger zu erzeugen", sagte ein Milchbauer im Deutschlandradio. Bisher schützt die EU ihre Bauern etwa dadurch, dass sie Einfuhrzölle erhebt. Bei Import-Milchpulver etwa werden über 1.600 Euro pro Tonne fällig, bei Butter sogar mehr als 2.300 Euro.

Es geht um viel Geld

Ohne Einbeziehung der Agrarprodukte aber könnten die USA das Abkommen ganz kippen. Schließlich wollen sie ihren Farmern den Zugang zum europäischen Markt erleichtern. Es könnte also sein, dass die EU und die USA den Agrarhandel grundsätzlich liberalisieren, zugleich aber Ausnahmen oder Schutzmaßnahmen für einzelne Lebensmittel einführen - für gentechnisch verändertes Fleisch zum Beispiel, vermutet das Radio.

Kein Abkommen mit den USA könne gültige europäische Lebensmittelvorschriften aushebeln. Auch De Gucht versucht zu beruhigen. Man werde die EU-Gesetze so einhalten, wie sie bestehen. Generell sieht er in dem Abkommen mehr Vor- als Nachteile. "Das wäre ein gewaltiger Wachstumsschub", sagte er dem Deutschlandradio, und darum gehe es letztlich: um richtig viel Geld. Laut De Gucht könnte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der EU um 0,5 Prozent steigen. Erteilen ihm die EU-Staaten am Freitag den Auftrag, könnte das Abkommen schon in rund zwei Jahren stehen.

Chancen auf dem US-Markt

Auch das Ifo-Institut sieht gute Chancen der Europäer auf dem US-Markt. Die reichere Mittelschicht nehme biologisch hergestellte, gentechnik- und hormonfreie Lebensmittel durchaus an. Dieses Segment werde derzeit nicht gut bedient. Berechnungen des Instituts zufolge würde allein Deutschland in zwölf Jahren knapp ein Drittel mehr landwirtschaftliche Güter und Nahrungsmittel in die USA exportieren als heute.

Optimistisch ist auch die deutsche Süßwarenindustrie. Derzeit werden 62.000 Tonnen Schokolade, Zuckerwaren und Eis in die USA exportiert. In der Praxis aber sei diese Lieferung oft recht kompliziert, sagte Werner Simonis, Exportleiter beim Bonbonproduzenten Kalfany, dem Radio. Nicht alles, was heute in Europa verkauft wird, darf auch in US-Regalen landen. Simonis hofft, dass das Freihandelsabkommen solche Barrieren beseitigt, indem Europa und die USA ihr Lebensmittelrecht und ihre Kennzeichnungsvorschriften angleichen oder gegenseitig anerkennen. Aromen und Farbstoffe, aber auch Nährwertangaben aus der EU wären in den USA dann kein Problem mehr. Umgekehrt aber auch nicht.

Geklont und genverändert

Geklonte Tiere zum Beispiel sind jenseits des Atlantiks wie selbstverständlich ein Teil des Lebensmittelgeschäfts. Auch gekennzeichnet müssen diese Produkte nicht werden, genauso wenig wie gentechnisch veränderte Lebensmittel. Europa dagegen hat strenge Richtlinien. Schon seit Jahren wollen die USA eine Lockerung erreichen. Es gilt als sicher, dass die Amerikaner jetzt einen neuen Anlauf starten. "Das sind natürlich Sachen, an denen die USA ein großes Interesse haben", sagte Häusling im Deutschlandradio. Für ihre Agrarunternehmen geht es um ein Milliardengeschäft. Der Saatgut-Multi Monsanto etwa verspreche sich, dass sich seine Schwierigkeiten auf dem europäischen Markt in Luft auflösen.

Viele europäische Konsumenten aber lehnen diese Produktionsweisen ab. Vor allem Österreich sieht sich in Sachen gentechnikfreie Lebensmittel als Vorreiter. Die gesamte heimische Milch-, Frischeier- und Mastgeflügelproduktion ist gentechnikfrei. "Ohne Gentechnik hergestellt" stehe auf insgesamt mehr als 1.950 Lebensmitteln, sagte Gesundheitsminister Alois Stöger Ende vergangenen Jahres. Dieses Kontrollzeichen war infolge des Gentechnik-Volksbegehrens 1997 entstanden. (part, derStandard.at, 14.6.2013)