Die Organisation "Im Namen der Familie" sammelt auf dem Ban-Jelacic-Platz in Zagreb Unterschriften gegen die Homo-Ehe.

Foto: Standard/Woelfl

Gay Pride 2012 in Zagreb.

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"Wir wissen jetzt wer Du bist! Du bist eine Spionin!", eröffnete der Goldschmied seine Rede. "Du lebst ohne ersichtlichen Grund in diesem Viertel. Du hast keine Familie. Du hast nicht einmal einen Mann. Und du hängst in der Nacht in diesem Café hier herum", fasste er seine Gedanken zusammen. "Und Du, Du hängst ja auch in der Nacht im Caféhaus herum! Und bist auch kein Spion, oder?" "Nein", sagte der Goldschmied, "aber ich bin normal, ich habe eine Tochter und ich habe eine Ex-Frau und obwohl wir schon lange geschieden sind, wäscht sie mir noch immer die Socken."

Wer keine Familie hat, dem wird misstraut

Die Familie ist das kroatische Koordinatenkreuz, vieles bezieht sich auf sie, vieles wird über sie definiert. Und wer keine hat, wird zuweilen mit Misstrauen betrachtet. Dabei bestehen die kroatischen Familien oft nur aus Mama, Papa und Kind, sowie überall in Mitteleuropa. Auch die Scheidungsrate ist vergleichbar: 2011 wurden 280 von 1000 Ehen geschieden, das heißt, dass jede 3,8te Ehe in Kroatien beendet wird. So weit, ist Kroatien mit vielen anderen EU-Staaten zu vergleichen. Anders ist hier allerdings, dass Schwule, Lesben, Transgender, aber auch Singles mit zumindest schiefen Blicken, wenn nicht mit offenem Unverständnis oder gar Diskriminierung begegnet wird. Die Geschlechter- und Sexualitätsnormen sind sehr eng, enger als in Österreich. Kroatische Homosexuellen-Vereinigungen beteuern, dass sich dies erst durch den Beitrittsprozess zur EU verbessert hat, vor allem auch durch die Antidiskriminierungspolitik der Europäischen Kommission. Aber gut ist es noch immer nicht.

Soziale Druck am Land groß

Diesen Samstag findet wieder die Gaypride in Zagreb statt. Die Teilnehmer müssen nicht fürchten, verprügelt zu werden, wie dies noch vor wenigen Jahren in Zadar geschah. Dennoch, kurz vor dem Beitritt zur Europäischen Union, ist Kroatien ein Land, indem sich Nichtverheiratete, Nichtheterosexuelle, Nichtgläubige oft nicht integriert fühlen. Der soziale Druck ist vor allem am Land groß, das Ideal der "Heiligen Familie" zu leben. Er ist auch in der Stadt Zagreb zu finden. In den Städten, etwa im liberalen Rijeka, gibt es aber zumindest Räume, wo sich Leute treffen können, die anders denken und anders sind.

In den vergangenen Wochen hat sich die Situation wieder verschlechtert. Denn im ganzen Land sammelten katholische Organisationen Unterschriften gegen die Homo-Ehe. Die Organisation "Im Namen der Familie" will durch ein Referendum die Ehe als exklusive Gemeinschaft zwischen Mann und Frau in der kroatischen Verfassung verankern. Die Initiatoren haben dabei den Begriff "Familie" für sich gekapert. Sie wollen, dass ihr Idealbild von "Papa, Mama, Kind" vom Staat bevorzugt wird. Dabei argumentieren sie oft so, als würden sie eine Art Kinderschutz betreiben. Manche von ihnen behaupten sogar, dass Kinder, die bei homosexuellen Eltern aufwachsen, prinzipiell suizidgefährdet seien und dass es nicht gut sei, erzählen sie dem Standard.

"Homophobe Kampagne"

Die 30 meist der katholischen Kirche nahe stehenden Organisationen haben 710.000 Unterschriften, also weit mehr als die erforderlichen 450.000, gesammelt. Ein Sechstel der Bevölkerung ließ sich also bereits vor dem Referendum für das Thema mobilisieren. Die Zahlen spiegeln ganz gut die kroatische Gesellschaft wider. Laut dem Historiker Đorđe Tomić bezeichnen 70 Prozent der kroatischen Studenten und 41 Prozent der Studentinnen Homosexualität als "nicht natürlich".

Einer der Organisatoren der Gaypride, Marko Jurčić spricht von "einer homophoben Kampagne". Er verweist darauf, dass die linksliberale Regierung zwar noch dieses Jahr ein Gesetz über eine "eingetragene Partnerschaft" für Homosexuelle verabschieden will, die Einführung einer Homo-Ehe aber gar nicht erwogen hat. "Es wird ohnehin keine Gleichheit mit der Ehe geben", so Jurčić. "Bei der Kampagne geht es nicht um eine rechtliche, sondern um eine soziale Frage", meint Jurčić. "Denn man schafft nun eine Atmosphäre, in der eine halbe Million Kroaten gegen Schwule auftreten". Er kenne Fälle, wo es in der Familie zu einem Bruch gekommen sei, weil die Eltern von Homosexuellen für das Referendum unterschrieben.

Homosexuelle mit Familiensinn

Dabei ist die Familie für viele heilig. Als wichtigstes Vorbild gilt die "Heilige Familie". "Unsere Familie" steht etwa auf dem kleinen roten Büchlein mit dem Abbild von Maria, Josef und Jesus, das man neben anderer religiöser Literatur, in Filialen der kroatischen Post erwerben kann. Die staatliche Post ist keine Außenstelle der katholischen Kirche, aber die religiösen und die staatlichen Sphären sind in Kroatien manchmal nicht so wirklich getrennt. Jedenfalls fühlt sich die katholische Kirche dazu berufen, ihre Vorstellungen von Familie durchzusetzen.

Aber auch die Homosexuellen wollen sich in ihren Familiensinn nicht nehmen lassen. "Wir haben eine Familie, wir ziehen Kinder groß und das wird sich nicht ändern", gibt Jurčić die Devise aus. Bereits vergangenes Jahr bei der Gaypride zogen die Schwulen und Lesben unter dem Banner "Wir haben eine Familie. Ein tausendjähriger kroatischer Traum!", durch Zagreb. Auf der anderen Seite stehen heute katholische Elternorganisationen wie Grozd, die sich darüber empörten, dass Homosexualität im Sexualkundeunterricht "als etwas Normales" dargestellt werden soll und kürzlich ereichten, dass das Gesetz vom Verfassungsgerichtshof gekippt wurde und nochmals ausführlicher debattiert werden muss.

Bischofskonferenz gegen Yoga-Unterricht

Die Laienorganisationen sind laut dem Politologen Davor Gjenero gut organisiert. Unterstützung bekommen die -für europäische Verhältnisse ultrakonservativen Katholiken - von Teilen der konservativen HDZ, aber auch von der neu gebildeten Partei Hrast (zu Deutsch "Eiche"). Interessanterweise glauben etwa Vertreter der Elternvereinigung Grozd, dass sie einen Anspruch darauf haben, über die Sexualerziehung in der Schule mit zu entscheiden. Das spiegelt auch ein allgemeines Verständnis von Säkularismus bzw. die besondere Stellung der katholischen Kirche in Kroatien wider.

So haben etwa Ehen, die von Priestern geschlossen werden, hier auch zivilrechtliche Gültigkeit. Und das ist bedeutsam: Denn 85 Prozent der Kroatien sind katholisch. Und Vertreter der Kirche verfügen zuweilen über ein erstaunliches Selbst- und Sendungsbewusstsein: So wetterte die Bischofskonferenz nicht nur gegen die Homo-Ehe, sondern auch gegen Yoga-Unterricht für Lehrer. In der Vergangenheit setzen sich einige Vertreter der katholischen Kirche sogar dagegen ein, dass es zu einer Lösung im Grenzstreit mit Slowenien kommen sollte. (Adelheid Wölfl, derStandard.at, 14.6.2013)