Innsbruck - Nachholbedarf beim Naturschutz ortete die EU-Kommission in Österreich immer wieder - etwa bei alpinen Flüssen und Ufergehölzen, verschiedenen Waldtypen, Streuobstwiesen oder der Ausweitung des Nationalparks Hohe Tauern. In Tirol will die EU unter anderem den Piz Val Gronda oder die Obere Isel schützen. Am Piz Val Gronda, mit seinem seltenen Schwemmboden als Lebensraum für das Steinhuhn, wird seit der Schneeschmelze im Frühjahr von den Silvretta Bergbahnen an einem Lift gebaut. An der Isel knapp unter dem Nationalpark Hohe Tauern, wo die seltene deutsche Tamariske wächst, ist ein Kraftwerk geplant.
Vertragsverletzungsverfahren seit Ende Mai
Bereits Ende des Jahres 2012 hatte die Kommission Österreich aufgefordert, an die 200 potenzielle Natura-2000-Gebiete, also schützenswerte Fauna und Flora, nachzunominieren. Seit Ende Mai läuft ein Vertragsverletzungsverfahren. Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbandes, rechnet damit, dass 50 bis 100 Gebiete ausgewiesen werden müssen. Für den Lift auf den Piz Val Gronda erwartet er einen Rückbau. Innerhalb von zwei Monaten muss der Kommission nun geantwortet werden, sonst drohen Geldstrafen oder eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof.
28 schützenswerte Zonen in Tirol
Die grüne Naturschutzlandesrätin Ingrid Felipe sieht im Vertragsverletzungsverfahren "eine Chance, so manches Naturjuwel zu retten". 28 schützenswerte Zonen in Tirol seien im Aufforderungsschreiben der EU-Kommission angeführt, Felipe will nun sowohl Projektbetreiber in sensiblen Gebieten als auch die zuständigen Behörden darüber informieren, dass sie potenzielle Natura-2000- Schutzgebiete verplanten. Laut schwarz-grüner Koalitionsvereinbarung sollen Nachnominierungen fachlich und unabhängig geprüft werden.
Der Osttiroler Touristiker Josef Schett fordert einen Beirat für innovative Konzepte, Natura 2000 sei eine Auszeichnung für besonders naturnahe Gebiete. Kein Verständnis für das EU-Verfahren zeigt VP-Seilbahnsprecher Franz Hörl: Im alpinen Raum müssten weiterhin Lebensgrundlagen und Perspektiven für Menschen geschaffen werden. (ver, DER STANDARD, 15./16.6.2013)