Wien - Eine Frau mit einem von harten Lebensumständen gehärteten Tonfall. Ein Mann mit einem Ansatz von Hermann-Göring-Wampe und -Gemüt. Eine lustig weiß gekleidete und eine lederlastig schwarz gekleidete Sängerin; ein Hornist im Frack und eine Cellistin in lockerem Weiß. Und ein Tänzer: in einem erstickend braunen Anzug, mit niedergedrückten, langsamen Bewegungen.

Sie alle wirken zusammen in Das Dritte Reich des Traums: Thomas Desi hat hier Auszüge aus Traumprotokollen, die Charlotte Beradt in den 1930er- Jahren in Deutschland gesammelt hat, mit Musiktupfern von Richard Wagners Rienzi und Mozarts Zauberflöte zu einer fallweise ins Absurde gleitenden Collage aus Schauspiel, Gesang, Musik und Tanz verbunden, wobei er die oft gleichzeitig ablaufenden Ebenen virtuos miteinander mischt.

Im Programmtext zitiert Desi einen anonymen Nazi-Führer: "Der einzige Mensch, der in Deutschland noch ein Privatleben führt, ist der, der schläft." Die jüdische Journalistin Charlotte Beradt hat 300 dieser geträumten "Privatleben" protokolliert: Hitler etwa, aus der von ihm komponierten Oper Magika singend, Göring, der ein Büro inspiziert, Goebbels, der einen mühevollen Gruß nicht schätzt. Splitter aus dem Alltag jener Zeit, vom Unterbewusstsein zu neuen, teils bizarren Bildern arrangiert.

Das Dritte Reich des Traums beschließt die mehrjährige Reihe von klug und sinnfreudig gearbeiteten, beeindruckenden Musiktheaterprojekten, die Desi mit seinem Zoon-Musiktheater zu den Jahren 1933-1945 geschaffen hat. Applaus für die Schauspieler Ernese Fay und Max Hoffmann, für die famosen Sängerinnen Cornelia Horak und Halina Graser, den Hornisten Oliver Gilg, die Cellistin Liina Leijala, den Langsamtänzer Roman Maria Müller. Und natürlich für Thomas Desi. (Stefan Ender, DER STANDARD, 15./16.6.2013)