Der Karikaturist als selbstbewusster Künstler: Richard Newtons " Selbstporträt als 20-Jähriger". 

Foto: Wilhelm-Busch-Museum

Das Wallmoden-Palais liegt im Georgen-Garten der Schlossanlage von Herrenhausen. Das blassgelbe Gebäude im frühklassizistischen Stil beherbergt das wichtigste Zentrum für Bildsatire in Deutschland.

Hier, im luxuriösen Ambiente der Hannoveraner Gartenanlagen, residiert seit 1950 die Wilhelm-Busch-Gesellschaft. Bereits in den 1930er- und 1940er-Jahren wurde der Grundstock der welteinmaligen Busch-Sammlung gebildet. 50 legendäre Bilderhandschriften werden im Schloss aufbewahrt, 363 Ölgemälde, mehr als 1300 Zeichnungen nach der Natur, rund 900 Briefe sowie 190 Gedicht- und Prosahandschriften.

Seit einiger Zeit nennt sich die Einrichtung auch Deutsches Museum für Karikatur- und Zeichenkunst. Wer das köstlich beschattete Haus dieser Tage aufsucht, hat gleich mehrfachen Grund zur Freude. Die Ausstellung Karikatur und Zeichenkunst zeigt Neuerwerbungen der hauseigenen Satiresammlung. Parallel dazu wird eines weniger bekannten Aspekts im Werk von Wilhelm Busch (1832-1908) gedacht.

Der Schöpfer von Max und Moritz oder Hans Huckebein war ein leidenschaftlicher Ölmaler. Genauer gesagt: Er plagte sich mit dem Erbe der alten Niederländer herum. Unter dem Titel Die holländische Malerei hab ich freilich gern wird der Kunstehrgeiz des oft unter Wert gehandelten Meisters bis 4. August umfassend belegt.

Wilhelm Buschs ganze Hingabe galt dem Hornvieh. Kühe waren Buschs bevorzugtes Sujet, ihnen stellte er unermüdlich nach, sie bannte er mit flüchtigem Strich auf Zeichenpapier. Den Rindviechern trotzte er die letzten Geheimnisse ab. Kein Büffel war auf den Weiden Niedersachsens vor Buschs Zeichenstift sicher.

Von den Niederländern erlernte Busch zudem die Kunst, Stier und Kuh als Idealwesen aufzufassen. Schufen die Holländer ein besonders anmutiges Exemplar auf saftiger Wiese, so schummelten sie bei den Proportionen. Kopf und Gehörn eines Zweijährigen wurden dann mit dem Rumpf eines vollreifen Stiers gekreuzt.

Faible für das Häusliche

Aber auch andere Leidenschaften teilte Busch mit van Ostade, Teniers d. J. oder Jan Brueghel d. Ä., den Meistern frühbürgerlicher Selbstbesinnung. An dem Ölgemälde Operation am Rücken von Adriaen Brouwer faszinierte den Deutschen beispielsweise das befremdliche Thema. Flugs malte Busch 1991 seine eigene Version der fröhlichen Furunkelstecherei. Die Schwäre (1891) bildete nicht den einzigen Niederschlag dieser merkwürdigen Passion für häusliche Freuden. Auch ein Gedicht gleichen Titels entfloss Buschs Feder, natürlich perfekt gereimt.

Von anderen Eutern nährt sich die eigentliche Jubiläumsausstellung des Hauses. 75 Jahre Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst bietet einen Rundgang durch die niedersächsischen Sammlungsschätze. An der Schwelle zum Barock entstand der Vorläufer der modernen Satirezeichnung. Meister wie Annibale Carracci nahmen einen Grundsatz der Renaissance auf, um ihn in sein Gegenteil zu verkehren. Dem Streben nach Verewigung idealtypischer Schönheit setzte man Mustersammlungen des Hässlichen entgegen: Gnomisches, Verwachsenes und Fabelhaftes, wie um die Unvollkommenheit der Welt zu bannen.

Tatsächlich geht der Begriff "caricatura" auf Annibale und Agostino Carracci zurück. In Hannover werden Schlüsselwerke der Satirekunst präsentiert. Auf die ätzenden Parodien absolutistischer Willkür folgen vor allem in England Blütezeiten komischer Kunstproduktion. Karikaturisten wie William Hogarth kämpften zäh um ihre Reputation als Künstler. Noch 1762 wurden die Schöpfer ätzender Zeichnungen und Stiche als "Bande von Kritzlern und Radierern" verunglimpft.

Demgegenüber zeugt Richard Newtons Selbstporträt als 20-Jähriger (1797) vom neu erwachten Selbstbewusstsein der satirischen Zunft. Die gezierte Armhaltung sowie das Vorweisen der Radiernadel belegen den Anspruch auf Anerkennung als Künstler. Noch ist es ein weiter Weg hin zur Kunst eines Honoré Daumier oder Tomi Ungerer. Von den in Hannover vorkommenden Österreichern Erich Sokol und Gerhard Haderer ganz zu schweigen. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 15./16.6.2013)