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Die Bundesliga startet am 20. Juli, Zoran Barisic freut sich.

Foto: APA/Fohringer

STANDARD: Sie sind quasi zum dritten Mal Trainer von Rapid. Zweimal sind Sie als Feuerwehrmann eingesprungen - für Peter Pacult und Peter Schöttel. Diesmal dürfen Sie von Beginn an arbeiten. Ist da der Druck noch höher? Schließlich haben Sie die komplette Vorbereitung zu verantworten.

Barisic: Druck ist bei Rapid immer gegeben, damit muss man leben und umgehen. Auch mit der manchmal unrealistischen Erwartungshaltung. Als ich im April 2011 Pacult ersetzte, war seitens der Fans und der Medien ein Hype da. Dann hat man unnötigerweise das Cupsemifinale in Ried verloren, worauf die Mannschaft in ein psychisches Loch gefallen ist. Da ging nichts mehr.

STANDARD: Und wie war es beim zweiten Mal, im April 2013?

Barisic: Extrem. Rapid ist im Cup an Pasching gescheitert, der Verein steckte schon seit Monaten in einer depressiven Phase. Abgesehen vom fehlenden Erfolg der Mannschaft, standen die Fans nicht hinter ihr. Egal, wie die Burschen gespielt haben, sie wurde ignoriert. Obwohl wir schlussendlich locker Dritter geworden sind. Für mich war das eine neue Erfahrung, eine wichtige Lernphase. Nach Pacult wusste ich, wie man mit einem kurzen Hype umgeht. Nach Schöttel weiß ich, wie man die ständige Unzufriedenheit übersteht. Weder Misserfolg noch Erfolg dürfen dich aus der Bahn werfen.

STANDARD: Sie wurden nur mit einem Einjahresvertrag ausgestattet. Das sieht nicht gerade nach einem Vertrauensbeweis aus, oder?

Barisic: Ich sehe das nicht so. Ich bin sehr froh, dass ich es machen darf. Man weiß ja nicht, wie sich Rapid verändert. Es sind die letzten Monate des Präsidenten Rudolf Edlinger, es gibt neue Ideen, Statuten und Strukturen könnten verändert werden. Ich kann die Mannschaft in einen guten physischen Zustand bringen - in einen Zustand, den du für den Fußball benötigst, den ich durchziehen will. Schauen wir, was dabei rauskommt.

STANDARD: Welche Vorgaben haben Sie? Europa League?

Barisic: Das Ziel bei Rapid ist immer ein internationaler Bewerb. Mein persönliches Ziel ist, dass wir guten Fußball bieten und uns ständig weiterentwickeln. Der Zuschauer soll nach jeder Partie zufrieden heimgehen. Das klingt nicht so oberflächlich wie eine bestimmte Platzierung in der Tabelle.

STANDARD: Die Stimmung in Hütteldorf ist katastrophal. Der Vorstand wird zum Rücktritt aufgefordert, gegen einzelne Personen wie Manager Werner Kuhn oder Sportdirektor Helmut Schulte wird massiv agitiert. Zumindest bei Schulte ist das nicht wirklich nachvollziehbar. Kann man in so einem Umfeld vernünftig arbeiten?

Barisic: Die Kritik der Fans hat sich zwar nicht gegen meine Person gerichtet, sie war aber auch für mich frustrierend. Da schießt der junge Dominik Starkl in Graz sein erstes Tor, rennt zu den Fans, klopft sich auf die Brust, zeigt stolz das Wappen. Die Leute schreien 'Vorstand raus!' Genauso war es beim ersten Treffer des 18-jährigen Louis Schaub. Ich gehe aber davon aus, dass wir die Umkehr schaffen.

STANDARD: Führen Sie Gespräche mit den Fangruppen?

Barisic: Ich hoffe, dass es passieren wird. Es wird daran gearbeitet.

STANDARD: Was dürfen Fans?

Barisic: Sie sollen anfeuern, sie sollen zufrieden sein, sie sollen aber auch ihren Unmut äußern dürfen. Ich weiß, wie Rapid tickt. Man redet von der großen Familie, als solche sollte man zusammenstehen, einander helfen. Es wird gefährlich, wenn man als Fan versucht, Politik zu betreiben. Wer ein Abo für die Oper kauft, bestellt auch nicht den Operndirektor.

STANDARD: Benötigt Rapid nicht in der Tat neue Strukturen? Die Austria ist zeitgemäßer aufgestellt.

Barisic: Ich bin Angestellter von Rapid, auf die Sportpolitik habe ich keinen Einfluss.

STANDARD: Der Meistertitel scheint illusorisch. Ist Rapid längst ein Verein der begrenzten Möglichkeiten? Man hat sich von Red Bull Salzburg den Verteidiger Christopher Dibon für eine Saison ausgeliehen. Ohne Kaufoption.

Barisic: Im Moment schaut es so aus. Deshalb wollen wir etwas aufbauen. Begrenzte Möglichkeiten sind auch eine Chance. Und Dibon hat es verdient, sich entwickeln zu dürfen. Und da ist Rapid keine schlechte Adresse.

STANDARD: Stört Sie Ihr Image vom Kumpeltyp? Wie sind Sie wirklich?

Barisic: Ich bin weit davon entfernt, in Schubladen zu denken. Man wird zu schnell kategorisiert, Kumpeltyp hin, Kumpeltyp her, ich bin locker oder ernst, ernst oder locker. Gegenseitiger Respekt ist mir wichtig. Bricht einer aus, kriegt er große Probleme mit mir.

STANDARD: Sind Trainer heutzutage überfordert?

Barisic: Kann er delegieren, ist er es nicht. Er muss gute Mitstreiter um sich scharen. Natürlich hat sich die Medienlandschaft verändert, früher gab es zwei oder drei Zeitungen und das Festnetztelefon. Jetzt gibt es Handy, Internet, anonyme Poster machen Politik. Die Anforderungen sind gewachsen. Es ist schwieriger geworden, eine Mannschaft zu führen.

STANDARD: Im österreichischen Fußball tut sich eine Schere auf. Einerseits der Hype ums Nationalteam, andrerseits ein Zuschauereinbruch in der Liga. Kann man diese Schere schließen?

Barisic: Kaum. Gefährdet ist die Liga nicht, es gibt aber eine Stagnation in der Entwicklung. Bedenkt man, dass Linz nicht mehr vertreten ist, ist das bedenklich. Wir pilgern jetzt von Dorf zu Dorf. Aber die Vereine haben sich sportlich qualifiziert und es somit verdient. Vielleicht wird Rapid aufgrund der Tradition noch wichtiger. International sind wir eine kleine Nummer, weil die Strukturen in anderen Ländern anders sind. Dort buttern Millionäre Geld in Klubs. Immerhin haben wir jetzt ein gutes Trainingszentrum, Hausaufgaben werden gemacht.

STANDARD: Sie sind ein Urgestein von Rapid. Ist Ihr Vorgänger Schöttel möglicherweise an der Betriebsblindheit gescheitert?

Barisic: Weiß ich nicht. Mein Vorteil war, dass ich auch bei anderen Vereinen erfolgreich gekickt habe. Ich hatte in Innsbruck mit Kurt Jara und Joachim Löw zwei tolle Trainer. Ich glaube nicht, der Beste zu sein. Ich halte die Augen offen, bin zwar Rapidler, aber nicht betriebsblind. Ich strebe nach Perfektion.

STANDARD: Wie beurteilen Sie den Wechsel von Peter Stöger nach Köln? Ist das Ausland für Sie eine Vision?

Barisic: Ich denke nur an das, was ich jetzt mache. Das sollten auch die jungen Spieler tun. Bevor sie Fuß gefasst haben, denken sie bereits ans Ausland. Aber vor dem fünften Schritt kommt immer noch der erste. Ich verstehe und gratuliere Stöger, er ist in einer völlig anderen Fußballwelt gelandet. Unsere Liga wird leider als Operettenliga bezeichnet, er konnte ausbrechen.

STANDARD: Ist Rapid für Sie das Ende des Traums?

Barisic: Nein, es ist spannende Wirklichkeit. Niemand traut uns was zu, jeder sagt, Rapid hat kein Geld, niemanden interessiert der Umbruch. Diesmal ist er Tatsache. Da habe ich meine Träume, ich wäre hier auch gerne fünf oder zehn Jahre Cheftrainer. Rapid hat eine andere Kraft, ist in Österreich in einer anderen Dimension. Aber auch als Gegner ist man doppelt motiviert. Ich weiß, wie gut man als Rapidler sein muss, um dagegenhalten zu können. Ob wir gut genug sind, wird sich weisen. Glücklich bin ich, wenn wir es schaffen, einen einzigartigen Stil zu entwickeln. (Christian Hackl, DER STANDARD, 15./16.6.2013)