Den Boulevard - und auf den kommt es schließlich an - hatte die Koalition jedenfalls hinter sich, als sie ohne jegliches Federlesen und mit jener einhelligen Entschlossenheit, die man etwa in der Schulfrage seit Jahren vergeblich herbeisehnt, den Abzug der Blauhelme anordnete. "Aus den Schießscharten kuscheliger Redaktionsstuben der Blätter mit großem und sehr kleinem Horizont wird derzeit fest auf die Regierung geballert", holte etwa Claus Pándi in der "Kronen Zeitung" an verwackelten Bildern alles aus sich heraus, was in ihm steckt. "Doch diese Geschoße der journalistischen Paintballer schlagen weit entfernt vom Ziel ein", konnte er die Regierung aus seinem Gefechtsstand heraus beruhigen. Denn "aus der sicheren Deckung hinter den Schreibtischen lässt sich leicht um die Reputation Österreichs besorgt sein", und mit der "Reputation Österreichs" kennt er sich aus, zögert er doch nie, die "sichere Deckung" hinter seinem Schreibtisch zu verlassen, um sich für diese in die Bresche zu werfen, wenn sein Chef es erlaubt. Gar nicht auszudenken, wie es um die "Reputation Österreichs" bestellt wäre, wenn es die "Krone" nicht gäbe.

Wenn Blattlinie und Regierungslinie zusammenfallen, ist er bereit, sich bis zum letzten Blutstropfen für die Regierung in die Schlacht zu werfen, ja ihr als Ehrenschild zu dienen. "Wenn jetzt zu hören ist, Kanzler und Vizekanzler hätten die Abzugsentscheidung nur wegen des Wahlkampfs getroffen, hat das eine zynische Logik". Und weil "Logik" sein Spezialgebiet ist, steht er nicht an, "die Abzugsentscheidung", nicht aber alles sonst, was die Regierung im Kehraus der Legislaturperiode noch umtreibt, vom Wahlkampfargument freizuhalten: "Weil damit wird unterstellt, ohne Wahlkampf würde die Regierung das Leben der Soldaten für eine sinnlos gewordene Operation aufs Spiel setzen".

Das wurde weder unterstellt, noch ist es logisch, weil man dieser Regierung zumindest das glaubhaft unterstellen darf, dass ihr "das Leben der Soldaten" in jeder Phase einer Legislaturperiode in höchstem Maße schützenswert wäre, aber ebenso glaubhaft, dass ihr das in der "Krone" gepflegte außenpolitische Sumpertum "wegen des Wahlkampfes" gelegen kommt. Macht das Blatt damit doch die Regierung zum Nutznießer des Strache- Slogans "Österreich zuerst", ohne dass sie sich selber damit beschmutzen müsste.

Ein paar Tage zuvor hatte sich Michael Jeannée in seiner Post an die "Lieben Soldaten auf dem Golan" noch deutlich skeptischer als Pándi gezeigt, als er von "seltener Eintracht und auffälliger Eile" schrieb, in der Kanzler und Vizekanzler handelten, "eloquent und schlagzeilenträchtig", verschärft um den Umstand, dass sich "auch die Opposition in der Causa in seltener Eintracht, auffälliger Eile und - eine Novität - in einhelliger Zustimmung übt". Wenn sich Regierung und Opposition in "seltener Eintracht" üben, ist diese dadurch ein wenig beeinträchtigt, dass nicht alle Beteiligten edle Motive haben. Jetzt der Regierung zustimmen zu müssen, obwohl man sich, alles, was die Uno betrifft, auf Strache-Linie bewegt, ist auch blöd. Da ist man lieber auf der sicheren Seite und geht gleich auf alles los, was aus "kuscheligen Redaktionsstuben" an differenzierteren Überlegungen kommt.

Um solche bemühte sich auch Wolfgang Fellner in "Österreich" mit der Frage: "Ist Davonlaufen die richtige Antwort auf das Blutbad in Syrien?" Nun wäre auch das Dableiben österreichischer Blauhelme keine "richtige Antwort auf das Blutbad in Syrien", weil sie auf dieses so oder so keinen Einfluss hätten. Daher verlegt Fellner die Szene rasch vom "Blutbad in Syrien" in das Stahlbad des österreichischen Wahlkampfes: "Welcher Politiker riskiert in einem Wahljahr den Tod eigener Soldaten?" Daher: "Der rasche Abzug unserer UNO-Soldaten von den Golanhöhen ist auf den ersten Blick richtig". Das machte richtig neugierig auf den zweiten Blick.

Der ergab, "dass UN-Einsätze ja keine Heurigen-Partie sind", und "ein Auslandseinsatz unseres Heeres sollte gerade dann weiter bestehen, wenn es brenzlig wird". Aber doch wieder nicht, denn "wahrscheinlich haben aber auch diejenigen recht, die behaupten, dass unsere UN-Auslandseinsätze ohnehin zum Krenreiben sind", woraus sich zwingend ergibt: "Deshalb ist der Golan-Abzug im Prinzip richtig". Wer aber glaubt, dass Faymann und Spindelegger, obwohl sie nicht nur "auf den ersten Blick", sondern auch "im Prinzip richtig" gehandelt haben, aus dem Schneider sind, irrt. Sie "hoffen wie Traummännlein auf eine "politische Lösung". Da ist Fellner ganz anders. (Günter Traxler, DER STANDARD, 15./16.6.2013)