Eine der größten Baustellen am modernen Menschen ist der Bewegungsapparat. Mehr als die Hälfte der Österreicher hat regelmäßig Rücken-, Kreuz-, Nacken- oder Schulterschmerzen, so eine aktuelle Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstituts "market". Mit dem Alter schwinden die Knochen und werden porös, auch immer mehr junge Menschen leiden unter Rückenproblemen. Ist die Wirbelsäule mit ihren 24 Wirbeln, den dazwischenliegenden Bandscheiben sowie Steiß- und Kreuzbein eine Fehlkonstruktion?

Kompromiss zwischen Mobilität und Stabilität

Das Problem liegt in der Bewegungsfreiheit des menschlichen Oberkörpers: Die Rotation macht Wirbel nötig, die andere Lebewesen wie Wale oder Delfine nicht besitzen. Die menschliche Wirbelsäule stellt einen Kompromiss aus Mobilität und Stabilität dar. Durch unseren modernen, oft ungesunden Lebensstil - zu viel Sitzen, falsche Haltung, wenig Bewegung und Übergewicht - stößt der Bewegungsapparat an seine Grenzen, oft sind Schmerzen die Folge.

Evolutionäres Wagnis

"Das relativ hohe Alter, das Menschen - jedenfalls in unseren Breitegraden - heute erreichen, war in der Evolution nicht programmiert. Auch war unsere sitzende Lebensweise nicht vorgesehen", sagt Franz M. Wuketits, Philosoph und Vorstandsmitglied des Konrad-Lorenz-Instituts für Evolutions- und Kognitionsforschung im niederösterreichischen Altenberg. Während das Skelett eines typischen Säugetiers eine "Brücke" bilde, wäre der aufrechte Mensch mit seiner "Turmkonstruktion" von vornherein ein evolutionäres Wagnis gewesen, so Wuketits.

Überbleibsel aus der Vergangenheit

Auch das Steißbein ist ein Relikt aus der Vergangenheit. Es ist ein Überbleibsel der 5 Schwanzwirbel von Wirbeltieren, das sich im Lauf von Jahrmillionen zu einem verschmolzenen Knochen zurückgebildet hat. Wer schon einmal unglücklich gestürzt ist, weiß, wie schmerzhaft eine Prellung des Steißbeins sein kann. Nutzen für den modernen Menschen hat es keinen mehr. (Florian Bayer, derStandard.at, 10.7.2013)