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Die olympische Ruderregatta in Banyoles ist der Höhepunkt der Zusammenarbeit von Bugmann Arnold Jonke und Schlagmann Christoph Zerbst.

Foto: APA/Gindl

Wien - Es waren einmal zwei Kärntner Teenager, die lernten einander in einem Spittaler Gymnasium kennen. Der eine, Arnold Jonke, kam aus Perau im Liesertal und war schon wegen der weiten Schulwege, die er zu Fuß zurückzulegen hatte, ein recht sportlicher Typ. Der andere, Christoph Zerbst, war nicht minder athletisch. Um heimzukommen, hatte der Bursche eine halbe Stunde mit dem Rad bergauf zu fahren.

Sie waren keine engen Freunde und hätten sich nicht träumen lassen, dass sie einmal "schon mehr als verheiratet" sein würden, wie der Volksschullehrer Christoph Zerbst, 49 Jahre alt und damit ziemlich genau ein Jahr jünger als der Leistungsdiagnostiker Arnold Jonke, es heute ausdrückt.

Und auch dass sie die bisher erfolgreichsten österreichischen Ruderer sein würden - nicht nur Weltmeister 1990 in Tasmanien, sondern zwei Jahre später und in Barcelona auch Olympia-Zweite im schweren Doppelzweier -, war keinesfalls vorgezeichnet. Zwar ruderten beide - Jonke bei Wiking Spittal am Millstätter See, Zerbst beim Ruderverein Villach von 1881 am Ossiacher See -, aber nur Jonke kam trotz des späten Beginns mit 18 Jahren relativ schnell zum Leistungssport und also ins Heeresleistungszentrum Blattgasse nach Wien. Zerbst ging in die Bundeshauptstadt, um an der Universität für Bodenkultur Forstwirtschaft zu studieren. "Rudern war für mich ein Ausgleich."

Spittaler Piraten

Beim Traditionsklub Pirat an der Alten Donau traf man sich wieder und traf auch auf einen Mann, der Jonke noch heute generell von "wir drei" reden lässt, wenn er den sportlichen Werdegang skizziert. Bundestrainer Andrzej Moliszewski erkannte das Potenzial der beiden als Besatzung eines Bootes. Jonke, im Einer und 1985 und 1986 schon im Zweier mit Thomas Linemayr recht erfolgreich, sitzt die beiden ersten Jahre mit Zerbst am Schlag, gibt also das Tempo vor, ehe die Positionen gewechselt werden. An den Bugmann werden bezüglich Rhythmusgefühl hohe Anforderungen gestellt, "er muss das Timing und einen gewissen Überblick haben", sagt Jonke. Zerbst: "Der Arnold und der Andrzej waren die Systematiker, ich war eher der impulsive Typ. Es ist auch wichtig, dass einer im richtigen Moment die Initiative übernimmt."

Als sich Jonke/ Zerbst so richtig gefunden hatten, war ihnen für Olympia 1988 in Seoul schon ein anderes - sie argwöhnten ein den Verbandsspitzen genehmeres - Boot vorgezogen worden. Jonke schnuppert in Südkorea im Einer olympisches Flair und wechselt nach der Rückkehr mit Zerbst zu Wiking Spittal. Hinfort arbeiten sie mit Moliszewski autark, ja sie leasen gar ein eigenes Boot. Finanziell war das nicht leicht, wie Jonke vorrechnet: "Als Heeressportler hatten wir monatlich 12.000 Schilling zur Verfügung, dazu kam die Sporthilfe. Als Leistungsruderer brauchst du deine 6500 Kalorien am Tag. Alleine das geht ins Geld."

Gratwanderung zum Erfolg

Die wirtschaftliche wie körperliche Gratwanderung zahlt sich aus. 1989 rudern Jonke/Zerbst auf dem Bleder See in Slowenien zu WM-Bronze, ein Ergebnis, das beide noch heute als entscheidend ansehen. "Fast eine Erlösung war das", sagt Jonke.

Im Jahr darauf gelingt im fernen Tasmanien gar Gold, Silber geht an das DDR-Boot mit Stefan Ullrich und Thomas Lange, der davor und danach im Einer insgesamt dreimal WM- und zweimal Olympia-Gold errudert.

Letzteres blieb Jonke/Zerbst am 1. August 1992 am See von Banyoles recht klar verwehrt. Die australischen Favoriten Stephen Hawkins und Peter Antonie sind übermächtig, aber Rang zwei ist dennoch ein Triumph und beschert die erste Medaille für Österreich bei den Spielen in Barcelona. Ihr folgt nur noch eine weitere, ebenfalls in Silber gehalten, durch die Mannschaft der Springreiter.

Jonke/Zerbst waren auf dem Zenit, aber ihr bestes Rennen hatten sie da schon länger hinter sich. Es ereignete sich im Jahr davor auf dem Rotsee zu Luzern, wo sie die Weltklasse deklassierten. "Das ist so leicht gegangen, dass sich der Christoph fast umgedreht hat, um mich zu fragen, warum", erinnert sich Arnold Jonke. Umso enttäuschender war die Niederlage bei der folgenden Heim-WM auf der Neuen Donau in Wien. Jonke/ Zerbst verpassen das Finale, müssen im Semifinale gar kurz vor dem Ziel wegen Entkräftung Schläge auslassen. "Ich habe mich zu sehr auf die Deutschen neben uns konzentriert, deren Rhythmus unbewusst übernommen. Für den Arnold war der nichts, wie sind fast gegeneinander gerudert", nimmt Zerbst die Schuld auf sich.

Zuerst Rudern, dann Interviews

Nicht wenige vergönnten dem Duo den Dämpfer. Jonke/Zerbst galten als schwierig, weil völlig auf ihren Sport konzentriert. "Nach dem Rennen kam das Ausrudern, ein Gespräch mit dem Trainer und erst danach kamen Interviews", sagt Zerbst. "Wir waren auch auf niemanden angewiesen", sagt Jonke. Sponsoren waren nicht zu befriedigen, "wir hatten auch nach Barcelona keine".

Wichtiger war ohnehin blindes Verständnis, absolute Verlässlichkeit schon bei Kleinigkeiten wie pünktlichem Erscheinen zum Training und der Wille, keine Kompromisse einzugehen. "Kompromissen im Training folgen Kompromisse im Rennen", sagt Jonke. "Man muss gleich ticken." Zerbst, obwohl vom Standard getrennt von Jonke befragt, findet fast idente Worte. Und: "Es wäre unmöglich gewesen, wenn wir uns nicht hätten riechen können. Wir waren ja zwei Drittel der Zeit zusammen." Es gab auch Phasen der Trennung, aber 1996 in Atlanta versuchen Jonke/Zerbst nochmals, den Traum vom olympischen Gold wahr werden zu lassen. Es gelingt nicht, Platz fünf ist eine Klasseleistung, "aber für uns war es zu wenig", sagt Zerbst.

Getrennte Wege

Während Jonke in ein anderes Boot wechselt, im Vierer u. a. mit dem heutigen Verbandspräsidenten Horst Nussbaumer sogar noch einmal auf dem Rotsee triumphiert und auch Olympia 2000 in Sydney schmückt, beendet Zerbst nach Atlanta seine Karriere, schließt ein Lehramtsstudium ab und unterrichtet - zwölf Jahre etwa in der einklassigen Volksschule des Bergdorfs Kreuzen bei Paternion. "Da konnte ich mich als Lehrer richtig austoben."

Das half, vom Sport wegzukommen. "Ich hatte psychische Probleme auszusteigen, der Adrenalinkick der Rennen fehlte." Andererseits blieben vom Spitzensport keine körperlichen Einschränkungen. Das kommt Zerbst in der Landwirtschaft zugute, die er in Bach im Gailtal zusammen mit seiner Frau Astrid und den beiden Söhnen (14 bzw. 17 Jahre alt) nebenbei betreibt. Zerbst reitet leidenschaftlich, er hat fünf Araber. Die Wiesen um den Hof zieren 20 Heidschnucken (Schafe) und rund 40 Ziegen. Eine Käserei ist im Aufbau begriffen.

Jonke wiederum wirkte nach dem Sportstudium im Rehabilitationszentrum Althofen, kümmerte sich um Herzpatienten. "Es gab Erfolge, aber nach fünf Jahren wollte ich lieber mit Menschen arbeiten, die wirklich gerne Sport betreiben." Jetzt ist er Leistungsdiagnostiker in der Privatklinik Maria Hilf in Klagenfurt, betreut Triathleten, Radfahrer und Eishockeyspieler. Der Bau und das Lenken von Modellflugzeugen und die Segelfliegerei begeistern den Vater eines erwachsenen Sohnes.

Kein Rost

Weder er noch Zerbst frönen noch ihrem alten Sport. Jonke, weil er kein Boot hat "und ich für ein Leihboot zu hohe Ansprüche stelle. Ein ehemaliger Radprofi hätte mit einem Waffenrad auch keine Freude." Und Zerbst ist aufs Kanu umgestiegen. "Da kann ich endlich vorwärts fahren und sehen, was auf mich zukommt."

Selten sieht er seinen alten Ruderpartner. "In unserer Beziehung ist es nicht wichtig, wie oft man sich sieht. Aber wenn, dann verstehen wir uns gut." Das, was war, war schön, ist aber kein Thema. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 17.6.2013)