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Cannabis-Pflanzen auf einer Plantage in Safed, Israel. Balkansky hat mit diesen hier nichts zu tun.

Foto: apa

Eine Weile zieht meine Mutter ein paar Stauden Gras auf ihren Fensterbrettern. Selten zu finden, ist dia die ideale Form der Mutterliebe. Dadurch wird die Mama nicht einmal zum Dealer, weil man ihr ja kein Geld zahlt, sondern neben der Ernte auch noch Kaffee und Kuchen bekommt. Und eben jede Menge Mutterliebe. Guter Deal!

Na gut! Drogenkonsum ist nicht die Lösung, sondern das Problem. Meistens. Am besten wissen das die Nikotin- und Alkoholsüchtigen. Wer allerdings keine allzu großen Probleme zu lösen hat und einer ist, der auch keine macht, soll meinetwegen kiffen. Es lebe die Hasch-Trafik!

Asasin rebooted

Würde ich eine Partei gründen, wäre das mein Wahlslogan. Doch ich weiß nur zu gut, dass die halbe Million Kiffer in unserer Republik nur schwer dazu zu bewegen sind, zwischen zwei Joints mehr Politisches zu unternehmen, als Alkis über einem Krügerl üblicherweise besprechen. Deswegen hasse ich die Kiffer in unserer Republik. Früher ist das anders ...

Damals denke ich: Wenn es möglich ist, mit etwas Hasch und dem Versprechen auf postmortalen Pascha-Sex aus Kids Profikiller zu machen, wie es einst der "Alte vom Berge" vorführt, dann sollte es ein ehrenwertes Unterfangen sein, mit denselben Mitteln aus ihnen Friedensengel zu machen. Vielleicht, als Zuckerl, mit freizügigem Sex noch lange vor dem Tod. Doch die Hippies bringen diese an sich logische Idee gründlich in Misskredit, als ich noch ein Kind bin, weil sie beginnen, Heroin zu spritzen. Schade.

Lesen bildet

Vor wenigen Jahren noch bin ich Willens, mein kleines Talent der guten Sache zu widmen und den Kids da draußen, die fest entschlossen sind, trotz aller Warnungen den Pfad zu beschreiten, dessen Irrwege zum letzten Ritt auf dem Drachen führen können, einen Ratgeber zu schreiben. Der Titel lautet "Handbuch für den jungen Drogen-User". Überflüssig zu sagen, dass ich bis heute keinen Verleger finde, der es drucken will. Offenbar ist jedermann überzeugt, es sei besser, die Kids den Ratschlägen ihrer Drogendealer zu überlassen.

Dabei gibt es gute Ratschläge jenseits des moralisch und gesundheitspolitisch erhobenen Zeigefingers, die einem jungen Menschen helfen, zumindest erfolgreich den Bütteln des Gesetzes zu entkommen. Einer davon lautet: "Nimm keine Drogen mit in die Ferien. Mach Ferien dort, wo es eh Drogen gibt." Und zumindest Gras gibt es überall. Und spart man in der Zeit, so hat man im Urlaub. Oder: "Heroin ist pfui, unnötig, gefährlich und macht impotent, macht schlechte Haut, macht schnell tot - lass es bleiben!"

Kiffen kostet

Dass auch Graskonsum seinen Tribut fordert, ist unumstritten und dem Autor aus eigener Erfahrung bekannt. Ich habe bloß vergessen, wie ich darauf komme ... Wurscht!

Kiffen kostet Geld! Erst das Taschengeld und später eigenes, sauer verdientes. Deswegen versuchen meine Freundin und ich im friulanischen Palmanova unser Gras selbst anzubauen. Die Fensterbretter auf der Hofseite stellen wir mit etwa 40 Schösslingen voll, gießen sie und lieben sie jeden Morgen und jeden Abend.

Ein Dutzend davon geben wir unserem Freund Jerry, der sie auf seinem Fensterbrett ausstellt. Straßenseitig. Leider. Nach wenigen Wochen stürmen zehn Zivil-Carabinieri Jerrys Wohnung in Ronchiettis. Sein heldenhafter Versuch, die Schösslinge in die Klomuschel zu stopfen, verärgert die Polizisten zusätzlich, weil sie nun den Beweismitteln nachgreifen müssen und (wieder einmal) vergessen, Gummihandschuhe mitzunehmen. Jerry ist amüsiert.

Und später auch erleichtert, weil sich alle Schösslinge als männliche Pflanzen erweisen und kein einziges Gramm THC enthalten. Jerry kommt mit einer Geldstrafe davon, weil die Absicht zählt, wie der Richter sagt. Was jedoch auch bedeutet, dass unsere Schösslinge ebenfalls zum Schmeißen sind.

Trügerische Hoffnung

Zum Glück sind da noch die Pflanzenbabys, die wir Ruggero schenken, der sie inmitten eines riesigen Maisfeldes bei Santa Maria aussetzt. Als dann der September naht, freuen wir uns alle auf die Ernte. Doch aus irgendwelchen Gründen, die nur EU-Bürokraten verursacht haben können, fährt der Bauer lange vor der Zeit mit der Erntemaschine über das Maisfeld, das nun wüst und leer vor uns liegt.

In Sutivan machen es die jungen Landwirte eher simpel. Irgendwann im Frühling fährt man mit dem klapprigen "Feldauto" in die Olivenhaine der Vorväter und streut hier und da etwas Samen aus. Bis die Ernte im September reift, raucht man das Gras vom Vorjahr zu Ende, verkauft ein wenig an die Touristen und versorgt Freunde. Manchmal aber wird, was John Holt nur singt, Realität, und Police in Helicopters kommt dem Jungbauern aus der Luft auf die Schliche. Doch meistens geht alles gut. Und wird gut.

Der letzte Keim der Hoffnung

Mit der Zeit beginne ich paranoide Rituale zu entwickeln und in einem Plastiksackerl Kleidung zum Wechseln zu meinem Dealer mitzunehmen. Dann ziehe ich mich unter dem Lachen des Dealers und seiner Kumpel noch in dessen Wohnung komplett um. Die Theorie ist, dass die Bullen, so sie tatsächlich draußen lauern, dadurch getäuscht sein können.

Irgendwann beschließe auch ich, dass es mir reicht, zum Dealer zu laufen, nach dem Verlassen seiner Wohnung gezwungen zu sein, lässig die Gasse entlangzugehen, dabei zu schwitzen und auf eine Stimme zu warten, die sagt: "Sie do! Bleibns amoi stehn!"

Ich kaufe die notwendige Ausrüstung und beginne eine kleine Aquakultur. Weil ich jedoch in meiner kleinen Wohnung zu wenig Platz sogar dafür habe, stelle ich alles in der WG zweier Kumpels auf. Gegen Beteiligung an der Ernte sollen diese, die im Bekanntenkreis als Prinz Äthanol und Baron Valium bekannt sind, den Grow hegen und pflegen.

Meine Kumpel werden ihren Spitznamen zur Gänze gerecht. Nach einem Jahr fehlgeschlagener Versuche demontiere ich die kleine Zuchtstation und verkaufe sie meinem Dealer, der wen kennt, der es brauchen kann. Als Kaufpreis vereinbaren wir ein Viertelkilo vom Feinsten. Das ist und bleibt meine einzige Ernte aus der Aquakultur.

Alles bleibt gut

Ich habe Glück. Ein alter Bekannter, den ich nach Jahren zufällig bei einer Veranstaltung treffe, ist inzwischen hauptberuflich Dealer in Sachen Gras. Weil er diskret ist und außer Gras nichts anderes verkauft, ist es moralisch und sicherheitstechnisch vertretbar, eine langfristige Geschäftsbeziehung aufzubauen. Preis und Qualität stimmen immer, der Kauf ist eine freundliche Plauderei in seiner Wohnung. Mit Kaffee und Kuchen. Wie einst bei Mama.

Noch ein letztes Wort an den jungen Drogen-User: "Irgendwann stellt jeder vernünftige Mensch fest, dass Gras noch das Harmloseste ist, was der Mensch sich punkto Rausch antun kann. Bleib einfach dabei!" Es lebe die Hasch-Trafik! (Bogumil Balkansky, daStandard.at, 17.6.2013)