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Befürchtet Sozialmissbrauch: ÖVP-General Rauch.

Foto: apa

Wien - "Von den österreichweit 193.000 Mindestsicherungsbeziehern nehmen 111.700 Personen aus Wien diese Sozialhilfe in Anspruch", schießt sich ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch auf die rot-grüne Bundeshauptstadt ein - und deutet an, dass es sich hier besonders viele in der "sozialen Hängematte" gemütlich machen.

Im Sinne des Faktenchecks gleich vorweg: Rauchs Zahlen stammen aus dem Jahr 2011 - die neueste Statistik aus Wien weist für das Jahr 2012 sogar 144.000 Mindestsicherungsbezieher aus.

Allerdings betont man im Büro von Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ), dass nur neun Prozent die volle Mindestsicherung, also knapp 800 Euro im Monat, bekommen. Für die meisten stellt die seit September 2010 bestehende Hilfe eine Ergänzungsleistung dar, weil ihr Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe darunter liegen. Erst mit zusätzlichem Geld kommen diese Menschen also auf das vorgesehene Mindestniveau von knapp 800 Euro.

Bleibt aber die Frage offen: Leben in Wien tatsächlich mehr "Obezahrer" als in Restösterreich?

Arme in Städten

Sozialexperten wie Michael Fuchs vom European Centre for Social Welfare Policy and Research und Martin Schenk von der Armutskonferenz halten dagegen, dass sich armutsgefährdete Personen europaweit vermehrt in den Großstädten aufhalten - und das hat mehrere Gründe.

Einerseits ziehen Menschen, denen es finanziell schlecht geht, oft lieber in die Metropolen, weil sie dort anonymer leben können als auf dem Land. Andererseits weiß Schenk aus den Notschlafstellen, dass Obdachlosen gerade in den Randgemeinden vor Wien oft sogar geraten wird, sich in die Bundeshauptstadt zu vertschüssen. Schenk: "Man will diese Menschen loswerden - und im Übrigen weist Niederösterreich einen besonders schikanösen und bürgerunfreundlichen Sozialhilfevollzug auf."

Fuchs führt noch eine andere Tendenz auf dem Land an, die viele, denen dort Mindestsicherung zustünde, vor einem Bezug zurückschrecken lässt: Bei Antragstellern würden Familiensituation, Einkommen sowie Vermögen streng geprüft - und während in der Stadt viele Bedürftige in Mietwohnungen lebten, hätten jene auf dem Land eben doch noch oft ein Haus, das sie aber keinesfalls veräußert wissen wollten - selbst wenn in der Realität diese Gefahr bei angemessenem Eigenbedarf gar nicht bestehe. Fazit laut dem Experten: "Das Problem bei der Mindestsicherung ist also eher die Nichtinanspruchnahme als der Missbrauch." (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 18.6.2013)