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Blick auf die Metropole Rio de Janeiro.

Foto: AP/Reuter

Bei den größten Protestaktionen in Brasilien seit 20 Jahren sind am Montag rund 200.000 Menschen durch die Straßen mehrerer großer Städte gezogen und haben ihren Ärger über Korruption, Polizeigewalt und schlecht arbeitende Verwaltungen Luft gemacht. Nach einer langen Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs wächst in Brasilien die Unzufriedenheit mit der Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff.

Die steigende Inflation und die zunehmende Gewalt beunruhigen viele Brasilianer. Brasiliens Wirtschaftswachstum lag im ersten Quartal 2013 nur noch bei 0,6 Prozent. Die Inflationsrate stieg hingegen bis Mai auf 6,5 Prozent, die Lebensmittelpreise stiegen sogar um 13 Prozent.

Bereits seit zwei Wochen kam es immer wieder zu Demonstrationen, die sich an der schwächelnden Wirtschaft, der steigenden Inflation und der zunehmenden Kriminalität entzündeten. Während die meisten eher den Charakter von Festivals hatten, warfen in Rio einige Demonstranten Steine auf die Polizisten, zündeten ein Auto an und randalierten an öffentlichen Gebäuden. Auch in der Hafenstadt Porto Alegre kam es zu Sachbeschädigungen.

Die Proteste kommen zu einem kritischen Zeitpunkt für das aufstrebende Schwellenland: Im nächsten Sommer ist Brasilien Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft. Derzeit laufen die zweiwöchigen Probespiele in den Fußballstadien. Der Confederations Cup droht nun von den Unruhen überschattet zu werden.

Ökonomen sorgen sich

Brasilien treibt Ökonomen die Sorgenfalten auf die Stirn. Großveranstaltungen wie Fußball-WM und Olympische Spiele sollten den Aufschwung zum Selbstläufer machen. Doch die Realität sieht anders aus: Das Wachstum schwächelt, die Inflation läuft aus dem Ruder, Reformen bleiben auf der Strecke und die Staatsschulden steigen. Die Landeswährung Real ist zuletzt auf den tiefsten Stand seit vier Jahren gefallen.

Der jüngste Abwärtstrend treffe einen Nerv, sagte Citigroup-Experte Nicolas Riva der Nachrichtenagentur dpa: "Die historische Betrachtung zeigt, dass Investoren bei einer schwächelnden Währung aus Brasilien fliehen." Betroffen seien Devisen, Aktien und Direktinvestitionen. "Wir haben dies bereits 1999, 2002 und 2008 gesehen." Insgesamt sei die Lage an der Währungsfront zwar noch nicht als besonders kritisch zu bewerten, doch wegen der hohen Inflation gebe es durchaus ein Problem.

Hohe Inflationsrate

Mit 6,5 Prozent lag die Teuerungsrate zuletzt deutlich über dem Notenbankziel von 4,5 Prozent. Die Währungshüter haben die Zügel bereits gestrafft und den Leitzins von 7,5 auf 8,0 Prozent angehoben - im globalen Billiggeld-Umfeld ein überraschender Schritt. Dass der Real trotzdem weiter abwertet, liegt vor allem an der Erwartung der Investoren, dass das Ende der geldpolitischen Ultralockerheit auch in den USA näherrücken könnte. Genau das hatte Brasiliens Finanzminister Guido Mantega vor wenigen Monaten noch gefordert, doch das Blatt hat sich gewendet. Mittlerweile hat sich die konjunkturelle Lage in der sechstgrößten Volkswirtschaft der Welt stark eingetrübt.

Der Ratingriese Standard & Poor's hat Brasilien bereits angezählt und den Ausblick für die Kreditwürdigkeit von "stabil" auf "negativ" gesenkt. Die Bonitätsnote liegt bei BBB. Diese Bewertung liegt zwei Stufen über dem Ramschniveau, mit dem spekulative Anlagen gekennzeichnet werden. Die Agentur moniert vor allem "das anhaltend schleppende Wachstum", nennt aber auch die steigenden Staatsschulden als Grund für die anwachsende Skepsis. Nachdem Brasiliens Wirtschaftsleistung 2010 noch um 7,5 Prozent gemessen am Bruttoinlandsprodukt zulegen konnte, sank das Plus 2011 auf 2,7 Prozent und 2012 auf magere 0,9 Prozent. (APA/Reuters, 18.6.2013)