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Demonstration für das Bleiberecht der Familie Zogaj im Oktober 2007 in Frankenburg, Oberösterreich.

Foto: AP/Rudi Brandstaetter

Von insgesamt 110 Protesten gegen Abschiebungen wurde in österreichischen Medien in den vergangenen sechs Jahren berichtet. Diese Aktionen wurden von Sieglinde Rosenberger, Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Wien, gesammelt und mit Stecknadelköpfen auf einer virtuellen Landkarte eingetragen und anschließend analysiert.

Mit dem Projekt "Mapping Protest" will sie gemeinsam mit Projektmitarbeiter Jakob Winkler festhalten, wer gegen die geplante Abschiebung protestiert und ob diese dann auch stattgefunden hatte.


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Keine ausgeprägte Protestkultur

Das Hauptforschungsinteresse lag darin, herauszufinden, was welche Menschen wo ungerecht finden und was sie dagegen unternehmen. In Österreich wurden Abschiebungen jahrelang durchgeführt, ohne Widerstand in der Bevölkerung hervorzurufen, erklärt Rosenberger. Zu ersten größeren zivilgesellschaftlichen Protesten kam es nach dem Tod von Marcus Omufuma im Mai 1999, der bei einem Abschiebeflug gestorben war.

Auch der Fall Arigona Zogaj Ende 2007 wurde mit großem öffentlichen Interesse verfolgt und änderte die asylpolitische Debatte. Seither häufen sich zivilgesellschaftliche Proteste gegen Abschiebungen sowie die mediale Berichterstattung über die Thematik.

Dass in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern erst spät Widerstand gegen staatliche Zwangsmaßnahmen geleistet wurde, führt Rosenberg darauf zurück, dass es hierzulande "keine sehr ausgeprägte Protestkultur" gibt.

Widerstand aus der Mitte der Gesellschaft

Bemerkenswert sei laut Rosenberger, dass sich die Proteste in Österreich vor allem aus der Mitte der Gesellschaft entwickelt haben und von Bürgern ausgegangen sind, die sonst nicht politisch engagiert sind.

Das Projektergebnis zeigt, dass sich Zivilcourage auszahlt: Die Hälfte der Aktionen war erfolgreich (blaue Stecknadeln) und es wurde nicht abgeschoben. Bei 29 Prozent der Fälle ist der Ausgang noch unklar (grüne Stecknadeln) und 21 Prozent der geplanten Abschiebungen wurden durchgeführt (rote Stecknadeln).

Proteste für Familien

"Protestiert wird vor allem dann, wenn die Abschiebung als ungerecht empfunden wird", sagt Rosenberger. Besonders oft sei dies der Fall, wenn Kinder betroffen sind und die Familien von der lokalen Bevölkerung als "gut integriert" wahrgenommen werden.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Vorhandensein einer sozialen Beziehung und der persönliche Kontakt zu den Asylwerbern. Dieser entsteht vorwiegend durch den Kindergarten- oder Schulbesuch. Das ist auch ein Grund, wieso für Einzelperson seltener demonstriert wird als für Familien, erklärt Rosenberger.

Unterschiede in den Bundesländern

Ausgerichtet wird der Protest oft von Netzwerken des Alltagslebens, wie Kirchen, Sportvereinen oder der Nachbarschaft. Auffallend ist auch die ungleichmäßige geografische Verteilung der Proteste.

So gab es bisher in manchen Bundesländern kaum zivilgesellschaftliche Proteste gegen geplante Abschiebungen: So gab es nur einen im Burgenland, zwei in Vorarlberg, vier in Niederösterreich und fünf in Tirol. In Oberösterreich hingegen wurde in 24 Fällen zum Protest aufgerufen.

Grund dafür ist laut Rosenberger, dass in Oberösterreich der Arbeitsmarkt länger für Asylwerber offen war als in anderen Bundesländern und diese dadurch leichter ein soziales Netzwerk aufbauen konnten.

Ländliches Phänomen

"Besonders überraschend ist, dass die Proteste im Zusammenhang mit Asyl vor allem in ländlichen Gegenden stattfinden. Denn diese sind sonst eher ein städtisches Phänomen", sagt Rosenberger. Auch hier gibt es aber einen Kontext zu den sozialen Beziehungen, die in kleineren Gemeinschaften am Land oft stärker sind als in der Stadt.

Keine politischen Proteste

Dennoch hält Rosenberger fest, dass die Proteste gegen Abschiebungen zumeist nicht politisch sind. "Anlass für die Demonstrationen sind nicht die Asylgesetze per se, sondern deren Implementierung auf den Einzelfall."

Trotzdem hätten die Proteste dazu geführt, dass das Thema Abschiebung politisiert wurde. Infolge wurden Forderungen nach Änderungen der Asylpolitik von NGOs und politischen Parteien laut.

Kein Zusammenhang mit der FPÖ

Ebenso untersucht wurde die Korrelation zwischen dem Wahlerfolg der FPÖ und den Anti-Abschiebungsprotesten an den unterschiedlichen Orten. "Hier konnten wir aber keinen Zusammenhang feststellen", sagt Rosenberger. (Elisabeth Mittendorfer, 25.6.2013)